Wuppertod
ihr den Zeigefinger auf die Lippen und
bedeutete ihr zu schweigen. »Und rate, wen ich dort - rein
zufällig - angetroffen habe?«
»Du wirst es mir
bestimmt gleich verraten.«
»Sonja Tickmann,
die Geschiedene von unserem Star-Regisseur.«
»Sonja Tickmann
war bei Michaela Heiger-Burbach?« Heike machte große
Augen und leerte ihre Tasse.
»Ja, warum auch
immer. Die Burbach sagte, sie sei eine Geschäftsfreundin. Kein
Wort davon, dass die Besucherin die Ex-Ehefrau von Mark Tickmann,
dem Klienten ihres Mannes war. Absolut kein Hinweis in diese
Richtung.« Stefan schob die Unterlippe vor. »Ich werde
der netten Dame wohl noch mal auf den Zahn fühlen
müssen.« Er schüttelte den Kopf und spielte mit
einem Kugelschreiber. »Tausend Personen scheinen in diesen
Fall verwickelt zu sein, aber niemand hat ernsthaft einen Grund,
deshalb zu töten. Trotzdem gibt es zwei Tote. Weiß der
Geier, wer oder was hinter den Anschlägen auf die Filmleute
von Wuppertod
steckt.«
»Ich hoffe nur,
das Casting verläuft ohne größere
Zwischenfälle«, bangte Heike.
»Frau
Göbel?«
Sie fuhren herum.
Michael Eckhardt war lautlos an ihren Schreibtisch getreten.
»Ich hatte heute Morgen schon Besuch von der Kripo.«
Seine Miene war ernst. Stefan bedachte er nur mit einem knappen
Kopfnicken. Eine steile Sorgenmiene stand auf der Stirn des
Chefs.
»Lassen Sie mich
raten - Kommissar Verdammt?« Heike lächelte.
»In Begleitung
seines Assistenten«, nickte Eckhardt. »Ein sehr
ruhiger, unscheinbarer Typ, der es aber offenbar darauf abgesehen
hat, sehr schnell Karriere zu machen.«
»Endlich mal
einer, der an Ulbrichts Stuhl sägt«, kicherte
Stefan.
»So würde
ich das nicht nennen.« Eckhardt schüttelte den massigen
Schädel. »Wenn dieser Jupp Bock Ulbrichts Stelle
übernimmt, werden wir uns sicherlich Kommissar Verdammt
zurückwünschen, so viel dürfte
feststehen.«
»Sie klingen ja
richtig begeistert von dem Nachwuchs«, stellte Heike fest und
lehnte sich im Schreibtischstuhl zurück.
»Bock hat nach
Ihnen gefragt, Frau Göbel. Er war sogar schon mit einem
Empfangskomitee bei Ihnen zu Hause, hat sie dort aber nicht
angetroffen.«
»Sie war bei
mir«, sagte Stefan.
Kopfnicken. »Das
dachte ich mir.«
»Was um Himmels
Willen wollte die Kripo von mir?«
»Sie waren
gestern Abend bei Henrike Jochims.«
»Ist das
verboten?«
»Nein,
allerdings zählen Sie nun, nachdem die Jochims in U-Haft
sitzt, auch zum Kreis der Verdächtigen. Herzlichen
Glückwunsch, Frau Göbel!« Eckhardt rang sich ein
gefälliges Grinsen ab.
»Ich werde
diesen Bock anrufen und ihn fragen, was er sich einbildet. Ich habe
ein Interview geführt mit Henrike Jochims - sozusagen«, fügte sie
leiser hinzu, als sie Stefans breites Grinsen sah. »Ja ja,
sozusagen ein Interview«, nickte er.
»Noch besser
wäre vielleicht, wenn Sie kurz zum Präsidium
rüberfahren, Frau Göbel«, schlug der Chef vor.
»Auch wenn das nicht in ihren Zeitplan passt - aber
ich denke, es
ist sehr wichtig, wenn Sie klären, was zu klären
ist.«
»Ja«,
nickte Heike, erhob sich und schnappte sich ihre Handtasche.
»Das denke ich auch.« Wütend verschwand sie aus
der Redaktion und ließ einen verdutzten Stefan Seiler und
einen wortlosen Michael Eckhardt zurück.
* * *
»Ich hab
Scheiße gebaut, Kathrin.«
Das blonde
Mädchen blickte ihn mit versteinerter Miene an. Sie
saßen in der Mittagssonne auf dem Bürgersteig vor dem
Café Engel. Gegenüber glitzerte das Glashaus, das
Café Laurenz, im Sonnenlicht. Ein Fensterputzer tobte sich
gerade an den Scheiben aus. Die spitzen Türme von St.
Laurentius ragten in den Himmel, an dem keine Wolke zu sehen war.
Das Schmuckstück mitten in Alt-Elberfeld wirkte wie frisch
gestrichen, die rosafarbene Sandsteinfassade leuchtete farbenfroh.
Im Hintergrund wuchsen die Gründerzeitmietshäuser in den
Himmel. Die altehrwürdigen Gebäude schmiegten sich an den
Ölberg - das Viertel, in dem die Bewohner früher lange
ihre Nächte mit Petroleumlampen erhellt hatten, bevor es dann
auch in diesem Viertel elektrischen Strom gegeben hatte. Daher kam
auch der Name des Viertels: Ölberg.
Am Morgen hatte
Kathrin Jungmann kurz in der Uni vorbeigeschaut und sich auf die
nächste Lesung vorbereitet. Den Rest des Tages hatte sie sich
frei genommen. Irgendwann am Vormittag hatte sich Gernot Bemberg
bei ihr gemeldet, ein Kommilitone. Er war verliebt in sie und
versuchte sie zu sehen, wo er nur konnte. Er nervte sie nur.
Kathrin war mit
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