Wuppertod
wagte Bock einen Anlauf, seine Strategie zu
verteidigen.
»Ich verstehe
nicht, wo Sie Verdunkelungsgefahr sehen«, brummte Ulbricht
und zwirbelte sich den Oberlippenbart, ein Relikt aus den
Achtzigern. Dass Schnurrbärte längst nicht mehr
»in« waren, hatte ihn bislang nicht erreicht. Er war
ein etwas verschrobener Typ.
»Als wir das
Haus betraten, stand ein gepackter Koffer im Schlafzimmer. Sie war
im Begriff, zu verreisen.« Jupp Bock schlug die Beine
übereinander. »Und somit bestand akute Fluchtgefahr.
Punkt.«
»Die Tatsache,
dass Sie ihr den Mord an Heiger und an ihrem Mann anlasten, hat
aber nichts mit der Tatsache zu tun, dass es jemand offenbar auf
die Filmproduktion abgesehen hat. Wer ist der Schütze, der auf
Lars Gemmering geschossen hat?« Ulbricht schüttelte den
Kopf, angelte nach seiner Thermoskanne und schenkte
sich einen Kaffee ein. Er kleckerte auf seine
Schreibtischunterlage, fluchte ungehalten und wischte den braunen
Kranz mit einem Taschentuch fort.
»Ein
Trittbrettfahrer?« Bock lächelte. »Wir kennen das
Phänomen hinlänglich. Der Mord an Heiger hat große
Wellen geschlagen. Nicht zuletzt, weil Ihre kleine Freundin vom
Radio darüber berichtet hat.«
Ulbrichts Augen
sprühten Funken. Wenn Blicke töten könnten …
»Das reicht jetzt. Erstens ist Heike Göbel nicht meine
Freundin, zweitens ist der Mord durch alle Medien gegangen. Radio,
Zeitung, ja, sogar das Fernsehen hat sich auf die Story
gestürzt.« Er schnaubte wütend wie ein Walross.
»Alles Aasgeier, sag ich Ihnen.«
»Schon
gut«, wiegelte Bock ab und hob beschwichtigend die
Hände. »Fakt ist dennoch, dass die Berichterstattung der
Medien sehr gut Trittbrettfahrer auf den Plan rufen könnte. Es
gibt genug Psychopathen, die mit derlei Aktionen auf sich
aufmerksam machen wollen.«
»Wo ist die
Jochims jetzt?«
»Noch hier im
Gebäude. Sie sitzt in einer der Zellen in Gewahrsam und wartet
auf den Haftrichter. Danach geht's zum
Simonshöfchen.«
»Sie sind
über das Ziel hinausgeschossen.« Ulbricht sprang von
seinem Stuhl auf. »Bock, Sie haben einen Bock geschossen.
Wenn das an die Öffentlichkeit gelangt, sind wir geliefert.
Die Presse wird sich das Maul zerreißen über die
unfähige Polizei.« Er machte eine Pause. »Und das
zu Recht!«, fügte er dann hinzu.
Jupp Bock verstand die
Welt nicht mehr. Er hatte zum ersten Mal in seiner Laufbahn als
junger Kommissar selbst die Initiative ergriffen. Hatte etwas
erreicht, hatte eine Mordverdächtige festgenommen. Und nun
verpasste ihm der Alte deshalb eine Zigarre. »Was haben Sie
vor, Chef?«
Kommissar Ulbricht
sprang wie von der Tarantel gestochen auf. »Ich will sie
sehen.« Damit stürmte er aus dem Büro.
* * *
Längst schon
hatten es sich die Kollegen in der Redaktion der Wupperwelle
abgewöhnt, breit zu grinsen oder Sprüche zu klopfen, wenn
Heike und Stefan Händchen haltend im Sender
erschienen.
Sie ließen sich
an ihren Schreibtischen nieder und fuhren die Rechner hoch. Stefan
kümmerte sich heute um die Mordfälle, während Heike
sich auf das Casting, das am Abend stattfinden würde,
vorbereitete.
Stefan nutzte die Zeit
für ein Telefonat mit Michaela Heiger-Burbach. »Es hat
heute Nacht eine Festnahme gegeben. Der mutmaßliche
Mörder Ihres Bruders scheint gefunden zu sein.« Stefan
betrachtete Heike, während er telefonierte. Sie arbeitete eine
Liste ab, blickte aber immer wieder sie zu ihm herüber. Sie
hatte es nicht glauben wollen, dass tatsächlich Henrike
Jochims hinter den Morden steckte. Und dann war da noch etwas in
ihrem Blick. Stefan deutete es als Eifersucht.
»Hat der
Täter auch meinen Mann zusammengeschlagen?« In Michaela
Heiger-Burbachs Stimme schwang so etwas wie Erleichterung
mit.
»Das steht nicht
fest«, erwiderte Stefan. »Ist aber nicht sehr
wahrscheinlich. Das Verhör dauert zur Zeit noch
an.«
»Bitte melden
Sie sich, sobald es Neuigkeiten gibt.«
»Versprochen.« Damit
legte Stefan auf.
Heike blickte zu ihm
herüber. »Und?«
»Was -
und?«
»Haben wir
unsere Aufgabe zur Zufriedenheit der gnädigen Dame
erfüllt?« Ihre blauen Augen funkelten
wütend.
»Heike,
Süße, du bist ja schon wieder eifersüchtig.«
Er lachte, erhob sich und trat an ihren Schreibtisch. Die anderen
Kollegen in der Redaktion mussten nicht unbedingt mitbekommen, was
sie besprachen. Stefan beugte sich zu ihr hinab und hauchte ihr
einen Kuss auf die Stirn. »Ich habe ihr doch gestern einen
Besuch abgestattet.«
Heike wollte etwas
sagen, aber er legte
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