Wuppertod
Vorderpfoten. Offenbar gehörte der Hund hier
zum Inventar.
Stefan seufzte und
blickte sich unter den Studenten um, die nicht alle jung und frisch
schienen. Langzeitstudierende, so nannte man das wohl. Warum ein
Ziel haben, wenn der Weg so schön ist, dachte Stefan, als er
einige etwas reifere Semester mit Halbglatze und grauem Vollbart in
der Mensa über einem Aktenordner brüten sah. Grinsend
verließ er die Mensa und wagte im Ausgangsbereich noch einen
letzten Versuch.
»Ja«,
nickte der etwas vollleibige Endzwanziger und tippte mit dem
fleischigen Finger auf das Foto. »Den kenne ich. Der verkehrt
in einer Rockerkneipe an der Müngstener Brücke. Geh da
mal hin und du wirst ihn treffen.«
»Weißt du
mehr von ihm?« Stefan hatte es fast nicht mehr für
möglich gehalten. Bemberg schien tatsächlich hier zu
studieren und war nicht nur pro forma an der Uni eingeschrieben, um
vielleicht steuerliche Vorzüge zu genießen.
Die Antwort seines
Gegenübers war ein Schulterzucken. »Wir besuchen einige
Vorlesungen zusammen, mehr nicht. Man macht halt Smalltalk. Und
daher weiß ich, dass er an der Müngstener Brücke
verkehrt. Im Inside, wenn dir das was sagt.«
Stefan nickte. Das
Inside war eine finstere Pinte mit lauter Rockmusik und
düsteren Typen, denen er in einer dunklen Seitenstraße
nicht begegnen wollte. Aber es nutzte nichts. Er würde der
Rockerkneipe mal einen Besuch abstatten. Die Recherche nach der
Anschrift von Gernot Bemberg war erfolglos verlaufen. Entweder
wohnte er noch bei den Eltern und diese verleugneten den
Sprössling am Telefon, oder er wohnte irgendwo in einer
anderen Stadt. Als Student war es auch gut möglich, dass er in
einer WG hauste. Stefan fragte den Mitstudierenden danach,
erntete aber nur ein erneutes Schulterzucken.
»Keine Ahnung,
wo der lebt. Ein seltsamer Typ. Eher ruhig, aber manchmal guckt der
so komisch. Ist richtig unheimlich.«
»Hat er Hobbies,
eine Freundin, was weiß ich …« Stefan
überlegte. »Was fährt er für einen
Wagen?«
Wieder Schulterzucken.
Eine unter Studenten wohl sehr gebräuchliche Geste.
»Keine Ahnung, was er treibt.«
Sein Gegenüber
dachte nach, dann nickte er zögernd. »Er hat einen
Wagen, einen uralten Opel. Fällt bald auseinander, glaube ich.
Schwarz wie die Nacht. Schwarz scheint auch seine Lieblingsfarbe zu
sein. Trägt sehr oft schwarze Klamotten.«
»Lederklamotten?«,
half Stefan nach. »Wie ein Rocker eben?«
»Manchmal, ja.
Und dann hat er wieder Tage dazwischen, wo er sich ganz normal und
unauffällig kleidet. Ein Spinner, wenn du mich fragst.«
Der Student musterte Stefan. »Bist du von der
Polizei?«
»Nein, vom
Radio.« Stefan reichte ihm seine Karte. »Hier -ruf mich
an, wenn dir doch noch etwas einfällt.« Damit steckte
Stefan das Foto ein und ließ den verdatterten Studenten
wortlos stehen. Er hatte noch viel vor heute.
13. Kapitel
Wie wir erst jetzt
erfahren haben, wollte sich der vor zwei Tagen ermordete
Schauspieler Tim Heiger nach Abschluss der Dreharbeiten von
Wuppertod aus dem Filmgeschäft zurückziehen. Und nun zum
aktuellen Wuppertal-Wetter.«
Von der Tatsache, dass
seine Geliebte, eine verheiratete Frau, schwanger von ihm war, ging
nichts über den Äther. Heike hatte es Henrike Jochims
versprochen. Diese Dinge hatten sie bei ihrer weinseligen
Damenrunde so besprochen. Jetzt war die schwangere Witwe
wahrscheinlich schon dem Haftrichter vorgeführt, ins
Gefängnis Simonshöfchen nach Vohwinkel gebracht worden
und saß dort in U-Haft.
Roland Kracht nickte
Heike zu, die am Mischpult saß und die Regler bediente. Das
Wetter-Jingle ertönte, dann verlas der Nachrichtenredakteur
den Wetterbericht. Heike ordnete inzwischen ihre Unterlagen, legte
die Manuskripte zusammen und sammelte die CDs ein, die sie für
die Mittagssendung benötigt hatte. Ihre Schicht war in wenigen
Minuten beendet, doch an Feierabend war noch lange nicht zu denken.
Das Casting in der Villa Media stand an. Immerhin hatte sie sich
von ihrem Weinabenteuer erholt. Alle Lebensgeister waren in ihren
Körper zurückgekehrt, was nicht zuletzt dem vielen Kaffee
zu verdanken
war.
Nachdem die Musik
abgelaufen war, öffnete sie das Mikro ein letztes Mal.
»Und das war's auch schon wieder von mir. Mein Name ist Heike
Göbel. Zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache: Heute
Abend findet unser großes Wupperwelle-Casting in der Villa
Media statt. Wir suchen Nachwuchsschauspieler, die sich für
eine Rolle im Film Wuppertod interessieren.
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