Wuppertod
Vielleicht sehen wir
uns ja dort, ich habe die Ehre, in der Jury zu
sitzen. Los geht's um achtzehn Uhr. Bis dann
…«
Heike zog einen Regler
am Mischpult auf und aus den Kopfhörern ertönte Walking
In Memphis, gefolgt vom aktuellen Titel von Kylie Minogue. Ihr Job
im Studio war damit für heute erledigt.
* * *
Als sie den Twingo
unweit der Villa Media parkte, erkannte sie schon von weitem die
Scharen junger Leute, die sich vor dem Eingang tummelten und auf
den Beginn des Castings warteten. Einige unter ihnen waren schrille
Paradiesvögel in bunter Kleidung und mit flippigen Frisuren.
Heike bezweifelte, dass diese Bewerber eine Chance haben
würden, von Tickmann in die engere Wahl einbezogen zu werden.
Mark Tickmann suchte junge, unverbrauchte Gesichter. Nun ja, das
war seine Entscheidung.
Einst war in dem
Gebäude der Villa Media die Verwaltung des alten Vieh- und
Schlachthofs untergebracht gewesen. Nach Schließung des
Viehhofs hatte das so genannte »Kommunikationszentrum
Börse e.V.« unter dem Dach des altehrwürdigen
Gebäudes eine Heimat gefunden. Bis das Haus 1978 abbrannte,
hatten Jugendliche in politisch stürmischen Zeiten hier ein
Forum gehabt. Heute krähte kein Hahn mehr danach, dass in der
Zeit von Pershing und Atomkraftgegnern der Staatsschutz oft die
Besucher der Börse unter die Lupe genommen hatte. Heute hatte
man ein modernes Medienzentrum in den beiden Häusern an der
Viehhofstraße untergebracht. Wuppertal mauserte sich zu einer
Medienstadt.
Der amerikanische,
schwarze Van, dessen Chromstoßstange im warmen Licht der tief
stehenden Sonne glänzte, fiel Heike sofort auf. Als sie das
bullige Fahrzeug erreicht hatte, wurde die seitliche
Schiebetüre geöffnet. Ein drahtiger Mann mit kurzen,
dunklen Haaren und einer dünnen Brille kletterte ins Freie und
stolperte Heike fast in die Arme. Als der Mann die Reporterin
erkannte, hellte sich seine Miene auf.
»Heike, da bist
du ja«, begrüßte Peer Finke die Kollegin jovial.
»Dann kann's ja losgehen.«
Heike blickte sich
suchend um. Stefans Käfer, seinen heiß geliebten
Clemens, entdeckte sie nirgends. Offenbar hatte sich Stefan
verspätet. Sie strich sich eine widerspenstige
Haarsträhne aus der Stirn und tippte auf den wuchtigen Van.
»Hast du dir einen neuen fahrbaren Untersatz
geleistet?« Sie kicherte. »Willst wohl auffallen in der
Damenwelt, was?«
»Ist nicht
meiner«, erwiderte Peer. »Ich war da drin nur zu
Besuch. Es ist Tickmanns Van. So etwas kann ich mir als freier
Journalist nicht leisten.«
»Du hast
Tickmann in seinem Wohnmobil besucht?«
Peer Finke strahlte.
»Na klar. Habe ihn interviewt.« Er zog das kleine
Aufnahmegerät aus der Tasche seines dunklen Jacketts.
»Hier«, sagte er. »Könnt ihr
senden.«
»Wenn Eckhardt
den Beitrag ankauft«, wagte Heike zu bezweifeln. Sie wusste,
wie argwöhnisch Eckhardt freien Mitarbeitern
gegenüberstand. Das war eine Marotte des Chefs. Immer
misstrauisch, wenn ihm jemand einen Beitrag anbot. »Hast du
Stefan hier schon gesehen?«
»Nein.«
Peer Finke schüttelte den Kopf. »Ich habe vorhin kurz
mit ihm telefoniert. Er hat noch einen Termin, kommt etwas
später.«
»Ach so.«
Bei dem war es, als lege sich ein Bleigürtel schwer um Heikes
Herz. Sofort dachte sie an Michaela Heiger-Burbach, die attraktive
Rechtsanwaltsgattin. Sie überlegte, ob diese sich wohl
als Ehefrau langweilte und Interesse an einer Affäre hatte.
Eine Affäre mit … Stefan? Unsinn, schalt Heike sich
eine Närrin. Sie übertrieb und steigerte sich
förmlich selbst in ihre Eifersucht hinein. »Hat er
gesagt, wo er …«
Kopfschütteln.
»Noch mal nein.«
Gemeinsam betraten sie
die Villa Media, vorbei an den geduldig wartenden, jungen Leuten.
So sehr Heike auch versuchte, den Gedanken zu verdrängen, dass
Stefan jetzt vielleicht gerade bei dieser Burbach war - es gelang
ihr nicht. Ein Kloß saß in ihrer Kehle.
»Ich habe
interessante Neuigkeiten zur Verhaftung von Henrike Jochims«,
sprudelte es aus Peer hinaus. »Sie ist bald wieder auf freiem
Fuß. Der Verdacht des Mordes hält sich
nicht.«
»Ach?«
Heike war stehen geblieben.
»Die
Überdosis Schlaftabletten war nicht die Todesursache. Man fand
Anzeichen einer Arsen Vergiftung in seinem Körper.« Peer
zwinkerte ihr verschwörerisch über den Rand der Brille
hinweg zu. »Arsen ist ein Halbmetall, das durch
Vulkanausbrüche entstand.«
»Wie
interessant«, brummte Heike sarkastisch.
»Warte
ab«, forderte Peer sie auf. »Arsen wurde zu
vielfältigen
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