Wuppertod
Intuition?«
Sie lächelte.
»Das ist keine Intuition. Das ist journalistischer
Spürsinn.« Nach einer kleinen Pause fuhr sie fort:
»Denk mal nach: Der Regisseur ist Wuppertaler, auf dem Weg
nach ganz oben. Er räumt regelmäßig Auszeichnungen
auf der Berlinale ab. Seine Filme werden sogar in Hollywood
für den Oscar nominiert. Solche Leute haben sicher nicht nur
Freunde. Es wird Neider geben.«
»… die
einfach Tickmanns Schauspieler umlegen, damit der Regisseur keinen
Film mehr drehen kann?« Stefan schüttelte den Kopf.
»Vergiss es«, winkte er ab. »Jeder ist zu
ersetzen. Auch ein Schauspieler.«
»Stefan - wir
sind Reporter«, erinnerte sie ihn. »Wo bleibt deine
beruflich bedingte Neugier?« Es war ihr, als müsste sie
ihn wachrütteln. »Wir haben einen
Mord!«
»Wir haben
Hunger«, berichtigte er sie und fuhr weiter, als die Ampel am
Wicküler-Park auf Grün umsprang.
»Mach einen
kurzen Umweg - bitte!«
Er blickte zu ihr
hinüber. Ihre großen, blauen Augen, die wundervoll
geschwungenen Lippen, die Stupsnase … Er liebte sie. Und deshalb hatte er
Mühe, ihr die Bitte abzuschlagen. Seufzend nickte er.
»Also gut. Aber ich weiß nicht, was du da
willst.«
»Das kann ich
dir auch nicht sagen. Am Tatort wird nichts mehr zu sehen
sein.« Sie atmete tief durch. »Vielleicht will ich
einfach mal vor Ort gewesen sein, um … Stefan, ich
weiß es nicht. Fahr zu der Stelle, wo Tim Heiger ermordet
wurde.«
* * *
Natürlich gab es
an der Stelle nichts mehr zu sehen. Trotzdem hielten sich jetzt
auffällig viele Leute in dem düsteren Viertel auf. Stefan
suchte und fand bald einen Parkplatz in der Bernbergstraße.
Den Rest des Weges legten sie zu Fuß zurück.
»Sind das alles
Fans?«, raunte Stefan Heike zu, als er die Menschengruppe
sah, die schweigend an einer Stelle stand. Einige Leute hatten
Blumen niedergelegt. »Das sieht ja fast aus wie am Buckingham
Palace, als Prinzessin Diana starb.«
»Stefan -
bitte«, mahnte sie ihn und nahm ihn an die Hand. »Wir
waren es, die die Nachricht zuerst auf dem Sender
hatten.«
»Ich wusste gar
nicht, dass wir nachts so viele Hörer haben«, brummte
er.
Sie näherten sich
der Gruppe, einige Personen nickten ihnen schweigend zu. Eine
zierliche Frau mit blonden Haaren, etwa Mitte dreißig,
schüttelte den Kopf. »Warum nur?«, fragte sie und
kämpfte sichtlich mit den Tränen. Sie trug eine schwarze
Hose, eine dunkelgraue Bluse und einen schwarzen Mantel.
»Weiß man
schon etwas über den Grund der Tat?«, erkundigte sich
ein junger Mann mit Brille und Siebzigerjahre-Schlaghose und
zückte ein kleines, digitales Aufnahmegerät. Ein Kollege
also.
Die Frau
schüttelte den Kopf. »Ich werde alles daran setzen, dass
der Mörder so schnell wie möglich hinter Schloss und
Riegel kommt.«
Heike tauschte einen
raschen Blick mit Stefan, der unmerklich die Schultern zuckte.
»Zeit, dem Kollegen mal die Butter vom Brot zu nehmen«,
wisperte sie ihm ins Ohr. »Wer ist sie?«
Stefan zuckte die
Schultern und hing an den vollen Lippen der schönen
Unbekannten. »Keine Ahnung. Tu doch was!«
Heike nickte und
näherte sich der Frau. »Entschuldigen Sie«, sprach
sie die Frau an. »Mein Name ist Heike Göbel von der
Wupperwelle. Sie sind ja ziemlich ehrgeizig, was die
Aufklärung des Mordes angeht.«
Die Frau blickte sie
unverwandt an, schien durch Heike hindurchzublicken.
»Ja«, flüsterte sie dann. »Ich will alles
erreichen, damit der Mord an meinem Bruder aufgeklärt
wird.«
* * *
Sie hatten Michaela
Heiger-Burbach in das Lola eingeladen.
Dort herrschte um
diese Zeit kaum noch Betrieb, und so saßen sie bei
Kerzenschein an einem der Tische und konnten den Verkehr auf der B7
beobachten. Auf der anderen Straßenseite leuchtete ihnen die
Reklame des CineMaxx-Filmpalastes bunt entgegen, und auch die
futuristische Schwebebahnstation an der Kluse war noch hell
erleuchtet.
»Wissen
Sie«, eröffnete Frau Heiger-Burbach schließlich
das Gespräch. »Ich hatte ein gutes Verhältnis zu
meinem Bruder. Nur durch meine Hochzeit und den Umzug nach
Wuppertal haben wir uns etwas aus den Augen verloren in letzter
Zeit. Er lebte ja in Berlin, wie Sie vielleicht
wissen.«
Heike nickte.
»Wollte er Sie denn hier besuchen?«
Schulterzucken.
»Möglich. Hauptsächlich war er zum Arbeiten
hier.« Frau Heiger-Burbach beugte sich über den Tisch
und raunte den Reportern zu: »Ich habe gestern mit ihm
telefoniert. Und, verzeihen Sie mir, er hasste es, hier einen Film
zu drehen.«
Stefan
Weitere Kostenlose Bücher