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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

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Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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wertvoller Gesamtausgaben und Bildbände. Er mußte plötzlich an Johnny Maguires armselige kleine Bibliothek denken.
    »Sie können ja nachfragen«, sagte Phillipson kurz angebunden.
    »Ja, das werde ich wohl tun.« Morse fühlte sich auf einmal sehr müde.
     
    Um halb eins ging Sheila auf Zehenspitzen die Treppe hinunter, um sich eine Schlaftablette zu holen. Es gab immer wieder einmal solche Nächte, in denen sie wachlag und sich unruhig von einer Seite auf die andere drehte. Es konnte Stunden dauern, bis sie endlich einschlief. Und die ganze Zeit kreisten ihre Gedanken um jene andere Nacht vor drei Jahren, als Donald mit ihr geschlafen hatte und sie im Augenblick größter Selbstvergessenheit Valerie genannt hatte. Sie hatte ihn nie darauf angesprochen. Es war ihr einfach unmöglich.
    Mit schreckgeweiteten Augen fuhr sie herum und sank dann erleichtert auf einen Küchenhocker. »Du bist es, Donald! Ich habe dich nicht kommen hören.«
    »Findest du auch keinen Schlaf, Liebling?«
     
     

Kapitel Zehn
     
    Mir blieb keine Zeile von ihr,
    Keine Locke von ihrem Haar
    Thomas Hardy,
Erinnerungen an Phena
     
    Morse war erst gegen elf ins Büro gekommen und verspürte keine große Lust, etwas zu tun. Er gab Lewis den Bericht des Schriftsachverständigen, nahm sich die Times vor und schlug die Seite mit dem Kreuzworträtsel auf. Bevor er anfing, notierte er sich am Rand die Zeit, dann huschte sein Bleistift über das Papier, und er füllte in Windeseile ein Kästchen nach dem anderen aus. Er sah wieder auf die Uhr. Die zehn Minuten, die er sich für jedes Rätsel zugestand, waren um. Meistens reichte ihm die Zeit, aber heute hatte er es nicht ganz geschafft. Ein Wort fehlte ihm noch.
    »Helfen Sie mir mal, Lewis. Sitzt er, dann trifft er – ein Wort mit sechs Buchstaben, fängt mit ›S‹ an, der fünfte Buchstabe ist ein ›A‹ .«
    Lewis schrieb und tat so, als ob er nachdenke. Warum löste Morse seine dämlichen Kreuzworträtsel nicht allein? »Vielleicht Spinat ?«
    »Wieso Spinat?«
    »Es kommt genau hin mit den Buchstaben.«
    »Da kann ich Ihnen noch hundert andere nennen, bei denen es mit den Buchstaben auch hinkommt.«
    »Welche denn?«
    Morse mußte scharf nachdenken, bis ihm zum Glück Sp a gat einfiel.
    »Da finde ich Spinat aber besser, Sir.«
    Morse schlug die Zeitung zu. »Nun, was sagen Sie zu dem Gutachten?«
    »Sieht so aus, als hätte sie den Brief geschrieben, nicht?«
    Es klopfte. Ein hübsches junges Mädchen kam herein und brachte Morse die Post. Er sah sie unwillig durch und legte sie dann beiseite.
    »Nichts Wichtiges dabei. Kommen Sie, Lewis, ich möchte rüber ins Labor. Ich will Peters mal auf den Zahn fühlen. Ich glaube, der verkalkt uns bald völlig.«
     
    Peters war Anfang Sechzig und, bevor er seine jetzige Stelle angetreten hatte, zwanzig Jahre lang als Pathologe für das Innenministerium tätig gewesen. Er galt als unfehlbar. Sein Auftreten war nüchtern und beherrscht. Wenn er etwas darlegte, so tat er dies mit regelmäßiger, präziser Monotonie, so daß gewitzelt wurde, aus ihm spreche ein Computer. Alle seine Antworten waren wohlüberlegt, sachlich und definitiv. Es kam so gut wie nie vor, daß jemand auf die Idee verfiel, mit ihm diskutieren zu wollen. Das wäre im Grunde auch unsinnig gewesen, da er ja lediglich Merkmale registrierte, deren Summe er dann als Ergebnis bekanntgab.
    »Sie sind also der Meinung, daß Valerie Taylor den Brief geschrieben hat?«
    Er dachte erst nach und sagte: »Ja.«
    »Kann man denn, was Handschriften betrifft, überhaupt jemals hundertprozentig sicher sein?«
    Er dachte wieder erst nach und sagte: »Nein.«
    »Und wie sicher sind Sie dann bei diesem Brief?«
    Pause. Dann: »Neunzig Prozent.«
    »Sie wären also überrascht, wenn sich herausstellte, daß der Brief nicht von ihr stammt?«
    Erneutes – längeres – Nachdenken; der Computer versuchte wohl, seine mögliche emotionale Reaktion einzuschätzen, sollte dieser äußerst unwahrscheinliche Fall tatsächlich eintreten. »Ja. Überrascht.«
    »Wie sind Sie zu Ihrem Urteil gekommen?«
    Wieder eine Pause, gefolgt von einer längeren Lektion über Kriterien wie Schreibgeschwindigkeit, Reibungsdruck, Bindungsform, Regelmäßigkeit. Morse konnte das nicht einschüchtern. »Glauben Sie, Sie könnten einen Brief fälschen?«
    Verhältnismäßig kurzes Nachdenken diesmal: »Ja. Natürlich.«
    »Aber der Brief, den Sie begutachtet haben, ist nicht gefälscht?«
    Schweigen. Nach einer Weile, mit

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