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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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am Leben, um so weitere Nachforschungen zu verhindern, die dazu führen könnten, daß die Wahrheit entdeckt wird, die lautet: Valerie ist ermordet worden. Dieser Jemand hat vermutlich das Gefühl gehabt, daß ihm Ainleys Beschäftigung mit dem Fall gefährlich werden könnte, und deshalb versucht, ihn mittels des gefälschten Briefes von weiteren Nachforschungen abzuhalten.«
    Lewis fand Morses Überlegungen reichlich weit hergeholt und sagte lieber nichts dazu. Morse fuhr fort.
    »Wir dürfen jedoch auch die andere Möglichkeit nicht außer acht lassen: daß der Brief nämlich aus genau dem entgegengesetzten Grund verfaßt wurde, um uns sozusagen wieder auf die Fährte zu setzen. Und überlegen Sie mal, Lewis, genau das ist doch geschehen! Ainley war der einzige, der sich noch um die Sache kümmerte, und das inoffiziell! Sein Tod hätte also normalerweise das Ende auch dieser letzten Ermittlungen bedeutet, die Akte wäre wieder in der Versenkung verschwunden. Aber dann kommt der Brief, und was passiert? Strange bestellt mich zu sich und ordnet – ganz offiziell – neue Untersuchungen an. Es erhebt sich die Frage, wer an einem Wiederaufrollen interessiert sein kann. Nicht der Mörder – so viel steht fest. Wer also dann? Vielleicht die Eltern? Aus dem Gefühl heraus, wir hätten zu früh aufgegeben …«
    Das ging Lewis nun doch zu weit. »Sie wollen doch nicht im Ernst behaupten, die Taylors hätten sich hingesetzt …«
    »Ist Ihnen dieser Gedanke nie gekommen?« fragte Morse ruhig.
    »Nein.«
    »Das hätte er aber sollen. Wie jeder andere könnten sie die Handschrift Ihrer Tochter kopiert haben, es wäre für sie sogar eher leichter gewesen. Aber es gibt noch eine Möglichkeit. Der Brief könnte auch von jemand stammen, der weiß, daß Valerie umgebracht worden ist, den Mörder kennt und will, daß er gefaßt wird.«
    »Aber warum …«
    »Gleich. Ich vermute, diese Person wußte, daß Ainley dem Mörder auf der Spur war, hat vielleicht selbst durch Hinweise dazu beigetragen. Doch Ainley kommt überraschend um – alles scheint vergebens gewesen zu sein. Hier ist es meiner Ansicht nach nötig, einmal Ainleys Fahrt nach London in unsere Überlegungen einzubeziehen. Angenommen, er hat Valerie ausfindig gemacht und festgestellt, daß sie gesund und munter ist. – Können Sie mir folgen? Gut. Damit wäre die Katze also aus dem Sack – sie ist entdeckt. Am nächsten Tag schreibt sie an ihre Eltern, das Versteckspiel ist sinnlos geworden. Wenn sie sich nicht selbst meldet, erfahren sie von Ainley, daß sie noch am Leben ist.«
    »Das klingt sehr einleuchtend, Sir.«
    »Finden Sie? Es gibt auch eine ganz andere Lesart – die ich übrigens für die zutreffende halte. Ainley hat Valerie nicht gefunden, auch gar nicht erwartet, sie zu finden, sondern ist einer wichtigen Spur nachgegangen. Aber dann stirbt er bei einem Unfall, und irgend jemand, der möchte, daß die Ermittlungen weitergeführt werden, schreibt einen Brief … Und so ist dieser Brief entgegen dem ersten Anschein geradezu der Beweis, daß Valerie tot ist.«
    Lewis hatte es irgendwann aufgegeben, den verschlungenen Pfaden der Morseschen Logik zu folgen. »Ich bin zuletzt nicht mehr ganz mitgekommen, Sir, aber … Habe ich richtig verstanden, daß Sie daran festhalten, der Brief sei nicht von Valerie? Das hieße dann also mit anderen Worten, daß Sie Peters’ Urteil …«
    Das hübsche junge Mädchen, das Morse heute morgen die Post gebracht hatte, kam herein und gab ihm einen gelbbraunen Aktendeckel.
    »Von Superintendent Strange, Sir. Er meint, es würde Sie vielleicht interessieren. Es war schon im Labor – sie haben aber leider keine Fingerabdrücke gefunden.«
    Morse schlug den Deckel auf. Ein neuer Brief, und wieder in einem billigen braunen Umschlag. Er war am Vortag im Zentralpostamt in London aufgegeben worden und an die Thames Valley Police adressiert. Strange hatte ihn bereits geöffnet. Morse zog den Bogen heraus. Auf einfachem, liniiertem Papier stand dort zu lesen:
     
    Sehr geehrte Herren,
    man hat mir gesagt, daß Sie versuchen, mich ausfindig zu machen. Ich möchte das aber nicht, weil ich nicht nach Ha u se zurück will.
    Hochachtungsvoll
    Valerie Taylor
     
    Er gab den Brief Lewis. »Faßt sich immer kurz, unsere Valerie, was, Sergeant?«
    Er griff nach dem Telefon und wählte die Nummer des Labors. Am anderen Ende hob jemand ab, doch war zunächst nichts zu hören. Da wußte er, daß er den Computer selber am Apparat

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