Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
Nachdruck: »Ich bin der Ansicht, daß der Brief von dem Mädchen stammt.«
    »Aber die Handschrift eines Menschen, gerade eines jungen Menschen, verändert sich doch im Laufe der Jahre. Ich finde es merkwürdig, daß die Schrift in dem Brief genauso aussieht wie die in ihren alten Schulheften.«
    Nachdenken, dann ein neuer Vortrag. »Jede Handschrift besitzt einen ihr eigenen Stil, in dem sich die Persönlichkeit des Schreibenden ausdrückt. Einzelne Merkmale können sich zwar verändern, der Stil an sich bleibt jedoch davon unberührt.« Er hielt inne. Meine Güte, dachte Lewis, als ob er aus einem Buch ablesen würde. Peters war noch nicht fertig. »Wie ich mir habe sagen lassen, ist im Griechischen das Wort für Charakter identisch mit dem für Handschrift .«
    Lewis unterdrückte ein Grinsen. Da haben sich ja die richtigen gefunden, dachte er.
    Morse stellte eine vorletzte Frage: »Und vor Gericht? Würden Sie da aussagen, es stehe eindeutig fest, daß Valerie Taylor den Brief geschrieben habe?«
    Die obligate Pause. »Ich würde dort dasselbe sagen, was ich Ihnen auch gesagt habe: der Grad der Wahrscheinlichkeit, daß der Brief von ihr ist, liegt bei neunzig Prozent.«
    An der Tür drehte Morse sich noch einmal um. »Würden Sie es sich zutrauen, ihre Schrift zu fälschen?«
    Es erschien tatsächlich ein Lächeln auf Peters’ eingetrocknetem Gesicht, und die Pause zum Nachdenken war äußerst kurz. »Ich habe eine Menge Erfahrung«, sagte er.
    »Sie könnten es also?«
    Eine letzte Pause. » Ich schon – ja.«
    Zurück im Büro setzte Morse den Sergeant über seinen gestrigen Besuch bei Phillipson ins Bild.
    »Er ist Ihnen unsympathisch, habe ich recht, Sir?«
    Morse verteidigte sich ein wenig gekränkt: »Das stimmt so nicht. Ich habe nur das Gefühl, daß er mir nicht alles erzählt.«
    »Na ja, wir behalten doch alle manche Dinge lieber für uns«, gab Lewis zu bedenken.
    »Hm.« Morse sah aus dem Fenster. Sitzt er, trifft er. Was konnte das nur sein? Er kam einfach nicht dahinter. Genau wie hier bei dem Fall. Doch auf einmal pfiff er durch die Zähne. Sechs Buchstaben. Vorne ein ›S‹, vorletzter Buchstabe ein ›A‹. »Ich hab’s, Lewis. Nicht Spinat . Schlag !« Er schlug die Times auf, trug die fehlenden Buchstaben ein und packte die Zeitung dann befriedigt weg. Jetzt konnte es an die Arbeit gehen.
    »Rekapitulieren wir noch einmal die Fakten.« Lewis lehnte sich zurück und hörte zu. Morse geriet in Fahrt.
    »So viel läßt sich sagen: der Brief wurde entweder von Valerie oder von einer anderen Person geschrieben. Sind wir uns da einig?«
    »Mit einer Wahrscheinlichkeit von 9:1, daß es Valerie war«, sagte Lewis.
    Morse nickte. »Einmal angenommen, der Brief stammt tatsächlich von ihr. Dann dürfen wir daraus wohl folgern, daß sie lebt, sich vermutlich in London aufgehalten hat und noch immer aufhält, ferner, daß es ihr dort gefällt und sie keine Lust hat, nach Kidlington zurückzukehren. Mit anderen Worten: wir verschwenden nur unsere Zeit.«
    »Es wäre aber schon wichtig, sie zu finden.«
    »Und was dann? Wollen Sie mit ihr schimpfen, daß sie so unartig war, und sie dann zu Mami und Papi zurückbringen?«
    »Wenigstens hätten wir den Fall geklärt.«
    »Wenn sie den Brief geschrieben hat, gibt es keinen Fall.«
    Lewis schlug sich seit gestern abend damit herum und mußte es noch einmal zur Sprache bringen: »Glauben Sie, daß das von Bedeutung war, was Mrs. Gibbs mir erzählt hat – Sie wissen schon, Sir, daß Maguire ein Mädchen bei sich wohnen hatte?«
    »Nein«, sagte Morse.
    »Und wenn es nun doch Valerie war?«
    »Aber Lewis! Seit wir den Fall übernommen haben, versuche ich, Ihnen klarzumachen: sie ist tot – und deshalb kann sie auch den Brief nicht geschrieben haben, ganz egal, was dieser Clown Peters sagt.«
    Lewis stöhnte innerlich. Das kannte er schon bei Morse. Wenn sich in dessen Kopf eine Idee erst mal festgesetzt hatte, dann brauchte es schon ein mittleres Erdbeben, um ihn wieder davon abzubringen.
    »Gehen wir zur Abwechslung also einmal davon aus, daß der Brief nicht von ihr geschrieben worden ist. In dem Fall muß jemand anderes ihre Schrift nachgemacht haben, und zwar sehr sorgfältig und geschickt. – Was ist?«
    »Aber wieso …«
    »Dazu wollte ich gerade kommen. Die Frage ist natürlich, warum sollte sich jemand mit so etwas abmühen? Nun, dafür gibt es meiner Meinung nach einen sehr einleuchtenden Grund: jemand möchte uns glauben machen, Valerie sei noch

Weitere Kostenlose Bücher