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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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sagen, daß er sich die Zeit im Penthouse vertrieben hatte. Schon der erste Besuch dort hatte ihn wohl in Lewis’ Achtung sinken lassen, und das konnte er dem Sergeant nicht einmal verdenken – er selbst empfand die Tatsache, daß es ihn immer wieder in derartige Etablissements zog, als erniedrigend.
    Nur wenige Kilometer vor Oxford begann Lewis ganz beiläufig zu berichten, wie er den Nachmittag verbracht hatte.
    »Ich habe mich ein bißchen mit Mrs. Gibbs unterhalten. Sie hat mir sogar eine Tasse Tee angeboten.«
    »Soso.«
    »Ich habe sie gefragt, weswegen sie eigentlich so froh darüber sei, Maguire loszuwerden.«
    »Und?«
    »Sie hat mir erzählt, daß er bis vor kurzem ein Mädchen oben bei sich wohnen hatte.«
    »Daß er was ?« Morse glaubte, er müsse sich verhört haben.
    »Ja, Sir. Fast einen Monat lang.«
    »Und warum sagen Sie mir das erst jetzt? Ihnen muß doch klar sein …« Am liebsten hätte er den Sergeant genommen und geschüttelt. Statt dessen ließ er sich mit einem Seufzer der Ergebung in den Sitz zurücksinken.
     
    Sie kamen gegen acht in Oxford an, und Morse ging noch einmal hinauf in sein Büro, weil er wußte, daß dort der Bericht des Schriftsachverständigen auf ihn wartete. Das Gutachten war knapp und präzise.
     
    Hinreichende Ähnlichkeiten, um Identität annehmen zu können. Schlage vor, bei Fortgang der Ermittlungen d a von auszugehen, daß Brief tatsächlich von Unterzeichn e rin stammt. Stehe für detailliertere Auskünfte zur Verf ü gung.
     
    Diese eindeutige Festlegung eines Wissenschaftlers hätte eigentlich Morses hartnäckige Überzeugung, daß Valerie Taylor tot sei, ins Wanken bringen müssen. Sollte man annehmen. Aber dem war nicht so. Im Gegenteil. Morse war völlig unbeeindruckt und legte den Brief mit einem leichten, etwas nachsichtigen Lächeln beiseite. Dann griff er nach dem Telefonbuch und suchte die Nummer von Phillipson heraus. Einen Phillipson, D., gab es nur einmal. Die Adresse lautete Unter den Tannen, Banbury Road, Oxford.

Kapitel Neun
     
    So hören wir von einer Gesamtschule in Connecticut, an der die Lehrer rosa, blaue und grüne Zettel an die Schüler au s geben zum Ausweis dessen, daß sie den Direktor, die Ve r waltung oder das WC aufsuchen dürfen
    Robin Davis, The Grammar School
     
    Sheila Phillipson liebte ihr Heim, ein großzügig geschnittenes Haus mit vier Wohnräumen in der Banbury Road, gerade vor dem Kreisverkehr. Drei ausgewachsene Tannen schirmten den breiten Vorgarten gegen die vielbefahrene Ausfallstraße ab, so daß man den Verkehr zwar noch hörte, aber nicht mehr sah. Der rückwärtige Garten mit den beiden Apfelbäumen, seinem Goldfischteich und dem gepflegten Rasen war dagegen völlig ruhig, und sie freute sich jeden Tag neu über das kleine Stück Paradies gleich hinter ihrem Haus. Der Name Unter den Tannen ging auf sie zurück. Sie war keine besonders phantasievolle Frau.
    Donald würde erst spät aus der Schule zurückkommen; sie hatten heute eine Konferenz dort. In der Küche stand ein Salat für ihn, und die Kinder hatten schon gegessen. Sie hatte ein bißchen Zeit für sich. Um kurz vor sechs hatte sie plötzlich Lust, die Abendsonne noch ein wenig zu genießen. Im Liegestuhl schloß sie zufrieden die Augen und überließ sich ihren Gedanken. Sie war stolz auf ihren Mann und auch auf ihre Kinder, Andrew und Alison. Gerührt mußte sie lächeln, als sie daran dachte, wie die beiden eben friedlich miteinander vor dem Fernseher gesessen hatten, ganz gebannt von dem, was sie da sahen. Zur Zeit gingen sie noch zur Grundschule; sie machten sich gut dort. Was danach kam, mußte man sehen. Sie würde sich jedenfalls dafür einsetzen, daß die Kinder eine Schulbildung erhielten, die ihrer Begabung gerecht wurde, so daß sie später im Leben eine Chance hatten … Das Beste war vermutlich, sie auf eine Privatschule zu schicken, dem würde Donald sicher zustimmen – auch wenn er in seiner Rede vor den Eltern auf dem letzten Jahresschultag die Gesamtschule als die Schule der Zukunft bezeichnet hatte. The Dragon, New College School, Oxford High, Headington – das waren immer noch die Namen, die Klang hatten, dagegen kam die Roger-Bacon-Gesamtschule nicht an. Zum Glück mußten sie die Entscheidung ja nicht morgen treffen. Sie streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen, deren letzte schräge Strahlen sie gerade noch erreichten, und genoß den süßen Duft des sommerlichen Gartens. Thymian und Geißblatt. Wenn man diesen Augenblick doch

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