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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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schien Morse nicht ins Konzept zu passen.
    »Oder jemand, dem Valerie davon erzählt hat.«
    »Wem zum Beispiel?«
    »Ihrer Mutter?«
    »Also so vertraut schätze ich dieses Mutter-Tochter-Verhältnis nicht ein.«
    »Dann vielleicht ihrem Vater?«
    »Schon eher.«
    »Es kann natürlich auch sein, daß jemand sie beobachtet hat«, sagte Lewis auf einmal.
    Morse nickte ihm anerkennend zu. »Genau das denke ich auch.«
    »Und können Sie auch schon sagen, wer?«
    Morse nickte erneut. »Sie übrigens auch. Sie brauchen bloß mal zu überlegen.«
    Lewis lag sehr daran, sich Morses momentane gute Meinung über ihn zu erhalten, und so tastete er sich behutsam näher. »Sie meinen …« Er versuchte, möglichst verständnisinnig auszusehen, was ihm auf Grund der Tatsache, daß er völlig im Dunkeln tappte, nur sehr unvollkommen gelang. Zum Glück redete Morse lieber, als daß er zuhörte, und lieferte gleich selbst die Erklärung.
    »Ja. Er ist von allen, mit denen wir uns im Laufe der Ermittlungen befaßt haben, der einzige, der ganz in der Nähe wohnt. Und in Kidlington wird wohl kaum einer auf die Idee kommen, extra nach Oxford zu fahren, um dem Bahnhofshotel einen Besuch abzustatten. Das Bier dort ist lausig.«
    Lewis wußte jetzt zwar, von wem Morse sprach, war aber darüber beunruhigt, mittels welch äußerst fragwürdiger, durch nichts bewiesener Annahmen der Chief Inspector dem Mann plötzlich die Rolle des Schurken verpaßte.
    »Haben Sie ihn schon dazu befragt?«
    »Nein, ich muß vorher noch einiges klären. Aber ich werde ihn mir schon noch vornehmen – keine Angst.«
    »Mir ist immer noch nicht klar, wie Sie darauf kommen, daß Phillipson damals ausgerechnet mit Valerie …« fing Lewis von neuem an.
    »Weil das allein ihr Verschwinden, oder genauer die Umstände, unter denen sie verschwand, erklärt«, sagte Morse. »Ich werde versuchen, Ihnen so genau wie möglich zu erzählen, was sich meiner Meinung nach abgespielt hat, vielleicht wird es Ihnen dann plausibler. Der wichtigste Punkt in meinen Überlegungen war die Tatsache, daß sie damals schwanger war.«
    »Tatsache! Dafür haben wir doch auch wieder keinerlei Beweis«, sagte Lewis.
    »Nun, Maguire hat mir gesagt, daß es so gewesen sei, und ich sehe keinen Grund, wieso er sich das ausgedacht haben sollte.«
    »Das ist aber trotzdem kein Beweis«, beharrte Lewis.
    »Nein, das ist es nicht«, gab Morse widerwillig zu. »Aber jetzt denken Sie mal an etwas anderes als immer nur an Ihre Beweise! Die kriegen wir schon noch. Also, halten wir fest, daß sie schwanger gewesen ist, und benutzen dies als Ausgangspunkt. Ich bin ziemlich sicher, daß nicht Phillipson der Vater war. Der wird einen höllischen Schrecken bekommen haben, als er gemerkt hat, daß sie Schülerin bei ihm war. Er hat sie bestimmt nicht mehr angerührt. Ab und zu wird er ihr auf dem Flur begegnet sein, vermutlich war das jedesmal schon peinlich genug. Aber eines Tages gerät Valerie in Schwierigkeiten. Ihren Eltern mag sie sich nicht anvertrauen; ihre Mutter kann sehr streng sein, und ob ihr Vater eine große Hilfe gewesen wäre …? Wer käme also in Frage? Meiner Meinung nach jemand, vor dem sie keine Angst zu haben brauchte, der kompetent war und mit Krisen umzugehen wußte und vor allem – jemand, der es sich nicht leisten konnte, ihr nicht zu helfen. Mit einem Wort: Phillipson. Sie überlegen gemeinsam, und als feststeht, was zu tun ist, werden auch Valeries Eltern eingeweiht. Das Ehepaar Taylor, Phillipson, Valerie – sie alle hängen in dieser Geschichte drin. Vermutlich hat Phillipson ihr in einer der Londoner Abtreibungskliniken einen Platz besorgt und ihr auch das nötige Geld gegeben. Und damit der wahre Grund für ihre Abwesenheit nicht ans Tageslicht kommt, erfindet man das Märchen von ihrem ›Verschwinden‹, und alle nehmen an, daß wieder einmal ein Mädchen es zu Hause nicht mehr ausgehalten hat und aufgebrochen ist in die große Stadt. Unterm Strich haben alle Beteiligten durch das Unternehmen gewonnen: Den Taylors ist der Klatsch und Tratsch der Nachbarn erspart geblieben; Phillipson hat etwas für Valerie getan und kann das Gefühl haben, eine potentielle Gefahr beseitigt zu haben, weil sie ihm nun Dankbarkeit schuldet; Valerie selbst ist noch einmal den Schwierigkeiten und Komplikationen entgangen, mit achtzehn eine ledige Mutter zu sein.«
    »Und ihr Verschwinden? Wie lief das ab?«
    »Da kann ich natürlich wieder nur Vermutungen anstellen. Ich nehme an, daß sie,

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