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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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tief Atem schöpfte und ihre Hand auf seinen Arm legte. Nun kam es.
    »Kunta, ich weiß nicht, wie ich’s dir sagen soll, drum spuck ich’s jetzt einfach aus. Der Masser hat Missy Anne versprochen, daß ihr morgen, wenn ihr auf Besuchsrunde seid, unsere Kizzy zu Masser John bringt, damit sie den ganzen Tag über dort bleiben kann.«
    Das war zuviel. Empörend genug, immer wieder tatenlos zusehen zu müssen, wie Kizzy hier langsam, aber sicher in ein braves Schoßhündchen verwandelt wurde – nun, da es stubenrein war, sollte er das Tierchen selbst an die neue Herrschaft ausliefern! Kunta kniff die Augen zu, rang um Fassung – aber dann sprang er wild auf, riß seinen Arm unter Bells Hand weg und schoß zur Tür hinaus. Während Bell die ganze Nacht schlaflos im Bett lag, saß Kunta schlaflos im Stall unter seinem Zaumzeug. Beide weinten.
    Als Doktor Wallers Wagen am nächsten Morgen vor Masser Johns Haus hielt, stürzte Missy Anne ihnen schneller entgegen, als Kunta seine Kizzy herausheben und auf den Boden stellen konnte. Sie hat nicht einmal auf Wiedersehen gesagt, dachte er bitter, als er mit den Pferden wieder in die Hauptstraße einschwenkte und das helle Kindergelächter hinter sich verklingen hörte.
    Es war später Nachmittag, und er hatte zwanzig Meilen landeinwärts stundenlang vor einem Gutshaus auf den Masser gewartet, als ein Sklave herauskam und ihm bestellte, Masser Waller müsse vielleicht die ganze Nacht bei seiner kranken Missy aufsitzen, und Kunta sollte ihn erst am nächsten Tag abholen. Kunta fuhr düsterer Stimmung zu Masser John zurück und mußte bei der Ankunft hören, daß Missy Anne ihre kränkliche Mutter angebettelt hatte, Kizzy über Nacht dazubehalten. Zutiefst erleichtert – denn die Mutter hatte abgelehnt, weil der Kinderlärm ihr eine Migräne beschert hatte – war Kunta alsbald auf dem Heimweg, und Kizzy hopste neben ihm auf dem schmalen Kutschbock auf und nieder.
    Während dieser Fahrt ging es Kunta auf, daß er jetzt zum allererstenmal wirklich allein mit ihr war, allein mit ihr seit der Nacht ihrer Geburt, als er ihr ins Ohr geflüstert hatte, wie ihr Name war. Er fühlte eine seltsame Fröhlichkeit in sich aufsteigen, als sie so miteinander in die sinkende Dämmerung hineinrollten. Aber er kam sich auch ziemlich närrisch vor. Unablässig hatte er sich um diese Erstgeborene, seine Pläne mit ihr und um seine Verantwortung Gedanken gemacht, und nun wußte er doch nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Unvermittelt nahm er Kizzy auf den Schoß, hielt sie linkisch, fühlte ihre Arme, ihre Beine, ihr Köpfchen, als sie sich wand, um neugierig in sein Gesicht emporzuspähen. Er hob sie noch einmal kurz an, um ihr Gewicht zu prüfen. Dann gab er ihr, sehr feierlich, die Zügel in die warmen Patschhände, und ihr glückliches Juchzen schien ihm der entzückendste Laut, den er je vernommen hatte.
    »Du niedliches kleines Ding«, murmelte er endlich. Kizzy machte große Augen. »Du siehst genauso aus wie mein kleiner Bruder Madi.«
    Sie sah ihn unverwandt weiter an. »fa!« sagte er laut und zeigte auf sich selbst. Kizzy schaute auf seine Finger. Er tippte sich auf die Brust und wiederholte: »fa«. Aber sie hatte ihre Aufmerksamkeit nun wieder auf die Pferde gerichtet und schrie gellend: »Hüüü!«, womit sie etwas anderes imitierte, was sie sehr oft von ihm gehört hatte. Mit stolzem Lächeln blickte sie zu ihm auf, aber es schwand rasch vor seiner verletzten Miene, und der Rest des Weges wurde in Schweigen zurückgelegt.
    Wochen später, als sie wieder allein heimfuhren, beugte sich Kizzy plötzlich zu Kunta, stupste ihren rundlichen kleinen Zeigefinger gegen seine Brust und sagte mit glitzernden Augen: »fa!«
    Er war hingerissen. »Ee tu mu Kizzy leh!« sagte er, indem er ihren Finger nahm und damit auf sie zurück zeigte. »Dein Name ist Kizzy.« Er machte eine Pause. »Kizzy!« Sie erkannte ihren eigenen Namen und begann zu lächeln. Nun zeigte er wieder auf sich selbst. »Kunta Kinte.«
    Aber das verwirrte sie noch. Sie zeigte auf ihn und wiederholte nachdrücklich: »fa!« Diesmal lachten sie beide übers ganze Gesicht.
    Um die Mittsommerszeit stellte Kunta begeistert fest, wie rasch Kizzy die Wörter auffaßte, die er sie lehrte – und wie gern sie bei ihm auf dem Kutschbock saß, wenn sie mitfahren durfte. Er fing an, neue Hoffnung für sie zu schöpfen.
    Aber eines Tages sprach Kizzy zufällig ein wenig Mandinka, als sie mit Bell allein war, und Bell schickte

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