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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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das Kind zum Abendessen zu Tante Sukey, damit sie Kunta beim Nachhausekommen unter vier Augen abkanzeln konnte.
    »Hast du den Verstand verloren, Mann?« brüllte sie. »Hab ich dir nicht immer und immer gesagt, du sollst dich lieber vorsehn und ’n bißchen besser auf mich hören? Du bringst das Kind und uns alle noch mal in die Klemme mit diesem Blödsinn! Wann kriegst du’s endlich in deinen Dickschädel, daß Kizzy nicht aus Afrika ist!« Kunta war nie so nahe daran gewesen, Bell zu schlagen. Sie hatte sich nicht nur des unerhörten Vergehens schuldig gemacht, die Stimme gegen ihren Ehemann zu erheben, sondern – schlimmer noch – sie hatte sein Blut und seinen Samen geschmäht. Durfte man denn kein Sterbenswort mehr über seine wahre Herkunft sagen, ohne das Strafgericht irgendwelcher toubobs fürchten zu müssen? Und doch warnte ihn eine innere Stimme, seinem Zorn nicht allzu laut Luft zu machen, denn ein handfester Ehekrach mit Bell könnte seinen Ausflügen mit Kizzy ein Ende setzen. Aber sie würde nie wagen, davon zu erzählen. Und sie konnte die Fahrten mit Kizzy nicht verhindern, ohne dem Masser einen Grund anzugeben. Wie dem auch sein mochte, er hätte eben doch keine Frau heiraten sollen, die im toubob- Land geboren war.
    Am nächsten Tag gab es eine Ablenkung. Als Kunta auf einer nahe gelegenen Pflanzung wartete, daß der Masser von seinem Krankenbesuch zurückkam, erzählte ihm ein anderer schwarzer Kutscher die neuesten Nachrichten über Toussaint, einen ehemaligen Sklaven, der eine große Truppe von schwarzen Rebellen auf Haïti organisiert hatte und sie erfolgreich nicht nur gegen die Franzosen führte, sondern auch gegen die Spanier und Engländer. Toussaint, sagte der Kutscher, hatte alles über Kriegskunst aus Büchern gelernt, in denen berühmte alte Krieger namens »Alexander der Große« und »Julius Caesar« beschrieben waren, und diese Bücher hatte er von seinem früheren Masser geschenkt bekommen, dem er später zur Flucht von Haïti nach den »New-Nited States« verholfen hatte. Auch für Kunta war dieser Toussaint in den jüngst vergangenen Monaten ein Held geworden, der gleich hinter dem legendären Mandinka-Krieger Sundiata rangierte, und Kunta konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen, um den anderen diese aufsehenerregende Neuigkeit zu entdecken.
    Doch er vergaß es. Bell erwartete ihn schon vor dem Stall mit der Nachricht, Kizzy hätte plötzlich Fieber und alle Merkmale von »Bumps« bekommen. Der Masser nannte es Mumps. Kunta war sehr erschrocken, aber Bell sagte, es sei nur eine ganz gewöhnliche Kinderkrankheit, und als er später hörte, Missy Anne dürfe bis zu Kizzys Genesung – also mindestens zwei Wochen – nicht in ihre Nähe kommen, war er sogar ein bißchen froh darüber. Aber als Kizzy kaum ein paar Tage krank lag, tauchte Masser Johns Kutscher Roosby auf und überbrachte eine prächtig gekleidete toubob- Puppe als Geschenk von Missy Anne. Kizzy verliebte sich sofort in diese Puppe. Sie saß im Bett, knuddelte und wiegte sie in ihren Armen und rief immer wieder mit halbgeschlossenen Augen: »Oh, wie süß!« Kunta verzog sich wortlos, stürmte über den Hof in die Scheune, wo seine Mandinka-Puppe noch lag, wie er sie vor Monaten hingeworfen hatte. Er wischte sie am Ärmel sauber, brachte sie in seine Hütte und streckte sie Kizzy fast mit einem Ruck entgegen. Sie lachte vor Freude, und selbst Bell bewunderte die schöne Arbeit. Aber Kunta sah, daß Kizzy nach wenigen Minuten doch wieder die toubob -Puppe lieber mochte, und zum erstenmal im Leben war er wütend auf seine Tochter.
    Es tröstete ihn wenig, mit anzusehen, wie die beiden Kinder sich dann für die Wochen der Trennung schadlos hielten. Obwohl Kunta manchmal die Anweisung bekam, Kizzy zum Spielen in Masser Johns Haus zu bringen, war es kein Geheimnis, daß Missy Anne es vorzog, ihren Onkel zu besuchen, weil ihre Mutter sich immer sehr bald beklagte, daß die lärmenden Kinder ihr Kopfweh bereiteten, und, laut Aussage ihrer Köchin Omega, gelegentlich als letztes Mittel Ohnmachtsanfälle vorschützte. Aber Omega erzählte auch, die »alte Missy« hätte ein würdiges Gegenstück in ihrer vorlauten Tochter. Roosby berichtete Bell, seine Missis hätte den beiden kleinen Mädchen einmal zugekrischen: »Ihr benehmt euch wie die Nigger!«, und Missy Anne hätte wie aus der Pistole geschossen zurückgerufen: »Ja, weil Nigger viel mehr Spaß haben als wir und nicht dauernd rumjammern!« Bei Masser Waller

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