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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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nach einer Fahrt zum Bezirksamt aus dem Wagen stieg: »Morgen brauch ich dich nicht, Toby. Aber ich habe Bell und den anderen Frauen gestattet, morgen an der Gebetsversammlung teilzunehmen, und ich habe ihnen versprochen, daß du sie alle im Wagen rüberfährst.«
    Kunta schäumte innerlich vor Wut, zumal ihm klar war, daß Bell dies eingefädelt haben mußte. Er nahm sich nicht die Zeit, die Pferde auszuspannen, sondern band sie kurzerhand hinter der Scheune fest und begab sich sofort zur Hütte. Bell sah ihn im Türrahmen stehen und sagte: »Ich wußt nicht, wie ich dich anders mitkriegen sollte, wo doch Kizzy morgen getauft wird.«
    » Was wird sie?«
    »Getauft. Das bedeutet: in die Kirche aufgenommen.«
    »In was für ’ne Kirche? Etwa in deine ›O Gott‹-Re­li­gi­on?«
    »Fang bloß nicht wieder damit an. Um mich geht’s dabei überhaupt nicht. Missy Anne triezt und bettelt ihre Leute dauernd, sie will Kizzy sonntags mit in ihr Gemeindehaus nehmen und hinten sitzen lassen, wenn sie vorne beten. Aber Kizzy darf nicht in ’ne weiße Kirche, solang sie nicht getauft ist.«
    »Dann läßt sie’s eben bleiben!«
    »Du kapierst es immer noch nicht, du Afrikaner, was? Es ist eine Eeehre , wenn einer in ihre Kirche darf. Sträub dich nur weiter, dann dürfen wir alle beide nächstens Baumwolle pflücken.«
    Am folgenden Morgen saß Kunta stocksteif auf dem hohen Bock, starrte geradeaus und gönnte nicht einmal seiner aufgeregt jubelnden Tochter einen Blick. Sie saß inmitten der anderen Frauen und der Picknickkörbe auf dem Schoß ihrer Mutter. Eine Weile plapperten sie nur durcheinander, aber dann sangen sie plötzlich im Chor: »Steigt hiinaan die Jaakobsleiter … Steigt hiinaan die Jaakobsleiter … Steigt hiinaan die Jaakobsleiter … Kreuzesritter …« Kunta war so angewidert, daß er die Zügel heftig an die Flanken der Maultiere klatschen ließ und der Leiterwagen mit einem Ruck vorwärts holperte und die Passagiere durcheinanderrüttelte – aber das konnte er nicht oft und kräftig genug wiederholen, um sie zum Schweigen zu bringen. Er hörte sogar Kizzys Piepsstimmchen aus den anderen heraus. Die toubobs brauchten keinen Trick, ihm sein Kind zu stehlen, dachte er verbittert, seine eigene Frau lieferte es ihnen ja freiwillig aus.
    Ähnlich überladene Wagen von anderen Plantagen kamen aus allen Seitenstraßen herbei, und bei jedem fröhlichen Grüßen und Winken wurde Kunta übellauniger. Bis zur Ankunft am Versammlungsort – einem blumigen, welligen Wiesengelände um einen kleinen Weiher – hatte er sich in einen solchen Zustand hineingesteigert, daß er kaum das Dutzend schon vorhandener Wagen wahrnahm, so wenig wie die anderen, die noch aus allen Richtungen eintrafen. Bei jedem Halt kletterten neue Massen von Insassen lärmend heraus, mit Juhu und Hallo, und es gab ein großes Geküsse und Umarmen in der wimmelnden Menge. Allmählich wurde Kunta bewußt, daß er im toubob- Land noch nie so viele Schwarze auf einem Fleck beisammen gesehen hatte, und betrachtete nun alles ein wenig aufmerksamer.
    Während die Frauen ihre Eßkörbe in den Schatten einer Baumgruppe brachten, strömten die Männer zu einem kleinen Hügel in der Mitte der Wiese. Kunta trieb einen Pfahl in den Boden, band sein Maultiergespann daran und setzte sich selbst hinter den Wagen – aber so, daß er alles sah, was vorging. Nach einer Weile hatten alle Männer, dicht an dicht, auf dem Boden rings um den Hügel Platz genommen, mit Ausnahme von vieren, die offenbar die Ältesten waren; die blieben stehen. Und dann, wie auf ein vereinbartes Zeichen, warf der Mann, der wiederum der Älteste der vier zu sein schien – er war sehr schwarz und dürr und verkrümmt und hatte eine weiße Bartkrause, den Kopf zurück und rief laut den noch abseits stehenden Frauen zu: »Kommet zu mir, Kinder Jesu .«
    Kunta traute seinen Augen und Ohren nicht, als die Frauen wie aus einem Munde zurückschrien »Ja, Herr!« und eiligst hinzuliefen, um sich hinter die versammelten Männer zu setzen. Kunta staunte, wie sehr ihn das an die Art erinnerte, wie die Leute von Juffure einmal in jedem Mond ihren Ältestenrat abhielten.
    Der Alte erhob von neuem die Stimme: »Höret mich! Seid ihr alle Kinder Jesu ?«
    »Ja, Herr!«
    Nun stellten sich die drei anderen Alten vor den Ältesten und riefen, einer nach dem anderen: »Es nahet die Zeit, da wir nur Gottes Sklaven sind!«
    »Ja, Herr!« schrie alles Volk, das am Boden hockte.
    »Machet euch bereit. Jesus

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