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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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während sie nur für einen kurzen Augenblick aufs Feld eilte, um ihrem Mann das Mittagessen zu bringen. Als sie zurückkam, fand sie ihn halb über dem Herd liegen. Maria Janes Hilfeschreie waren laut genug, daß ihr Mann sie hörte und sofort angelaufen kam. Der schwarze Derbyhut, der Schal und der Pullover von Hühner-George schwelten noch, er selbst hatte schreckliche Verbrennungen erlitten, vom Kopf bis zur Hüfte hinunter. Spät in der Nacht starb er.
    Fast jeder Schwarze von Henning nahm an seinem Begräbnis teil, Kinder, Enkel und Urenkel zu Dutzenden. Als sein Sarg in die Erde gesenkt wurde, an Matildas Seite, beugte sich sein Sohn Klein George zu Virgil und flüsterte: »Pappy war immer ein so zäher Bursche. Hätt nie gedacht, daß er überhaupt jemals sterben würde, und bestimmt nicht eines natürlichen Todes.«
    Virgil wandte sich zu seinem Bruder und schaute ihn traurig an.
    »Ich hab ihn gern gehabt«, sagte er leise, »und du doch auch, wie wir allesamt.«
    »Klar, haben wir«, sagte Klein George, »und doch konnt es niemand mit diesem von seinem ewigen Kikerikigegacker besessenen alten Ekel aushalten. Aber schau nur; jetzt schnüffeln alle mit tränenfeuchten Nasen herum, weil er von uns gegangen ist.«

Kapitel 116
    »Mama!« rief Cynthia atemlos, »Will Palmer hat mich gefragt, ob er mich nächsten Sonntag von der Kirche heimbringen darf!«
    »Sieht nicht aus wie ein Mann von voreiligen Entschlüssen, nicht?« antwortete Irene. »Ich seh ihn nun schon seit zwei Jahren dich in der Kirche anstarren, und das Sonntag für Sonntag.«
    »Wer?« fragte Tom.
    »Will Palmer. In Ordnung, daß er sie nach Hause bringen darf?«
    Nach einer Weile erwiderte Tom trocken: »Werd’s mir durch den Kopf gehen lassen.«
    Cynthia verschwand. Man sah ihr an, wie betroffen sie war. Irene musterte das Gesicht ihres Ehemannes.
    »Tom, dir ist wohl keiner gut genug für deine Mädchen, wie? Jedermann in der Stadt kennt diesen jungen Will, der ganz allein die Bauholzhandlung in Schwung hält, für den ewig besoffenen Mr. James. Alle Leute rund um Henning wissen, daß er allein das Bauholz aus den Güterwagen lädt, daß er’s eigenhändig verkauft und ausliefert, dann die Rechnungen schreibt, das Geld kassiert und es selbst zur Bank bringt. Sogar wenn es gar nicht um Holzsachen geht, kommen die Kunden bei ihm an und fragen ihn dies und das. Und wie er sich auch mit alldem abrackert – du hörst ihn nicht ein einziges häßliches Wort über diesen alten Mister James reden.«
    »Gewiß, er tut seine Pflicht und kümmert sich um seinen Kram, das seh ich«, sagte Tom Murray, »aber ich sehe auch, daß die Hälfte aller Mädchen in der Kirche sich die Augen nach ihm verdreht.«
    »Klar tun sie das«, sagte Irene, »weil er die beste Partie in ganz Henning ist. Aber er hat noch nie keine gefragt, ob er sie nach Hause bringen darf!«
    »So. Und was war mit Lula Carter? Der hat er Blumen geschenkt.«
    Erstaunt darüber, daß Tom das wußte, erwiderte Irene: »Das ist über ’n Jahr her, Tom. Und wenn du soviel weißt, müßtest du auch wissen, wie blöd sie sich hinterher benommen hat: immer wie ’n Schatten hinter ihm her, bis er die Nase voll hatte. Jetzt redet er kein Wort mehr mit der.«
    »Er hat es einmal getan, folglich könnte er es wieder tun.«
    »Doch nicht bei Cynthia, bei der nicht, die weiß, was sie will, wo sie so hübsch ist, und mit ihrer Figur! Sie hat mir erzählt, wie sehr sie Will mag. Aber sie würde ihm doch niemals sagen, was sie für ihn empfindet. Was sie mit ihm redet – na, höchstens ›Tach‹, und zurücklächeln, wenn er lächelt. Kümmere dich nicht drum, wie viele Mädchen hinter ihm her sind, wenn du weißt, hinter wem er her ist.«
    »Ah, du hast dir wohl schon alles genau überlegt«, sagte Tom.
    Irene war keineswegs gesonnen, ihre Fürsprache vorzeitig zu beenden.
    »Ach Tom, nun laß ihn schon das Kind nach Haus begleiten. Laß sie zusammenkommen. Wenn die erst mal zusammen sind, bleiben sie’s auch.«
    »Und wo bleib ich?« fragte Tom streng. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, zu nachgiebig bei irgendeiner seiner Töchter zu sein – oder auch bei seiner Frau. Außerdem paßte es ihm nicht, daß Irene so redete, bevor er überhaupt den Zukünftigen kennengelernt, sich alles genau überlegt und seinerseits Will Palmer akzeptiert hatte – wenn die Zeit dafür reif war. Natürlich hatte Tom den jungen Will seit seiner Ankunft in Henning beobachtet. Im stillen hatte er sich oft

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