Wut
zu verbergen, einige Offiziere jedoch waren prachtvoller gekleidet. Die Cyborgs von Akasz Kronos führten ihre Truppen in das, was nach Malik Solankas Erkenntnis nichts weniger war als eine dritte Revolte der lebenden Puppern. Zahlreiche Puppenmacher und Zameens wurden gesehen, wie sie selbstsicher die Operationen leiteten. »Das Recht des Stärkeren!« hörte man die Fremen rufen, während sie die Stellungen der Bolgolamiten stürmten. Am Ende dieses blutigen Tages hatten die FRM den Sieg errungen, aber der Preis dafür war hoch: Hunderte von Toten, weitere Hunderte Schwer- oder Leichtverwundete. Die medizinischen Einrichtungen von Lilliput-Blefuscu hatten große Probleme damit, die Opfer so schnell zu versorgen, wie ihre Verletzungen es erforderten. Manche der Verwundeten starben, während sie auf ihre Versorgung warteten. Der Lärm von Schmerz und Angst erfüllte die Korridore der Krankenhäuser der kleinen Nation die ganze Nacht hindurch. Als Lilliput-Blefuscu wieder Kontakt mit der Außenwelt aufnahm, stellte sich heraus, daß sowohl Präsident Golbasto Gue als auch Skyresh Bolgolam, der Anführer des ursprünglichen, fehlgeschlagenen Coups, lebend in Gefangenschaft geraten waren. Der Anführer des FRM-Aufstands, der von Kopf bis Fuß in einem Kronos/Puppenmacher-Kostüm steckte und der sich nur noch Commander Akasz nannte, erschien kurz auf LBTV, um den Erfolg seines Unternehmens zu verkünden, die Märtyrer zu preisen und mit geballter Faust zu erklären: »Die Stärksten haben überlebt!« Dann gab er seine Forderungen bekannt: Wiedereinsetzung der verworfenen Golbasto-Verfassung und einen Prozeß gegen die Bolgolam-Bande wegen Hochverrats, der nach dem Elbee-Gesetz mit dem Tode bestraft wurde, obwohl seit Menschengedenken keine Hinrichtungen mehr stattgefunden hatten und auch in diesem Fall nicht erwartet wurden. Weiterhin erklärte er, daß er, Commander Akasz der Fremen , das Recht beanspruche, im Hinblick auf Lilliput-Blefuscus nächste Regierung zu Rate gezogen zu werden, und hatte eine eigene Liste von Kandidaten für ein Ministeramt vorgelegt. Für sich selbst verlangte er keinen Posten, ein Beispiel falscher Bescheidenheit, die niemanden irreführte. Bai Thackeray in Bombay und Jörg Haider in Österreich hatten bewiesen, daß man nicht unbedingt ein öffentliches Amt bekleiden mußte, um das Land zu regieren. Ein echter starker Mann war aufgetaucht. Bis seine Forderungen erfüllt waren, schloß Commander Akasz , wolle er den hochgeachteten Präsidenten und den Verräter Bolgolam bitten, als seine persönlichen Gäste im Parlamentsgebäude zu verweilen . Solanka war beunruhigt; wieder mal das alte Problem, ob der Zweck die Mittel heilige. Commander Akasz klang für ihn nicht nach einem Verfechter der gerechten Sache, und während Mandela und Gandhi, wie Solanka einräumte, nicht die einzigen Vorbilder für Revolutionäre waren, mußten Tyrannenmethoden immer beim richtigen Namen genannt werden. Neela aber war begeistert. »Das Unglaubliche ist, daß dieses Verhalten so gar nicht zu den Indo-Lillys paßt; militarisiert, diszipliniert, sich selbst aktiv zu verteidigen, statt zu weinen und flehentlich die Hände zu ringen. Er hat ein echtes Wunder bewirkt, meinst du nicht auch?« Sie werde am Morgen nach Mildendo abreisen, erklärte sie ihm. »Du solltest dich für mich freuen. Dieser Coup macht meinen Film so richtig sexy. Das Telefon hat den ganzen Tag geklingelt.« Malik Solanka, der sich auf einem der Höhepunkte seines Lebens befand, der sich wie Gulliver oder Alice, wie ein Riese unter Pygmäen, unüberwindlich, unverletzlich fühlte, spürte auf einmal, wie winzige, unsichtbare Finger an seinen Kleidern zupften, als versuche eine Horde kleiner Zwerge ihn in die Hölle hinabzuziehen. »Das ist er, weißt du«, ergänzte Neela. »Commander Akasz, meine ich. Ich habe das Videoband gesehen, und es besteht kein Zweifel. Dieser Körper: Ich würde ihn überall wiedererkennen. Er ist wirklich ein toller Kerl.«
Das Tempo des augenblicklichen Lebens, dachte Malik Solanka, übersteigt die Fähigkeit des Herzens, zu reagieren. Jacks Tod, Neelas Liebe, der Sieg über die Wut, Asmaans Elefant, Eleanors Kummer, Milas Schmerz, die triumphierende Verachtung des Klempners Schlink, das Ende des Sommers, der Bolgolam-Coup in Lilliput-Blefuscu, Solankas eigene Eifersucht auf den FRM-Kämpfer Babur, sein Streit mit Neela, die Schreie in der Nacht, das Erzählen seiner Vorgeschichte , die rasante Entwicklung des
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