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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Schauspielerinnen in den Filmen dazwischen; verdammt, die guys in den Werbespots - Mark Vanderloo, Marcus Schenkenberg, Marcus Aurelius, Marcus Antonius, Marky Mark - waren begehrenswerter als die Schauspielerinnen in den Filmen. Und ebenso, wie sie den Traum von einem vollkommen schönen Amerika boten, in dem alle Frauen babies und alle Männer Marks waren, nachdem sie ihren eigentlichen Zweck, Pizzas, sportliche Jeeps und I Cant Believe It’s Not Butter zu verkaufen, erfüllt hatten, über das Geld-Management und das neue Ditditdit der Dotcoms hinaus, linderten die Commercials Amerikas Schmerz, seinen Kopfschmerz, seinen Bauchschmerz, seinen Herzschmerz, seine Einsamkeit, den Schmerz des Babyseins und des Alters, des Elternseins und des Kindseins, den Schmerz des Mannseins und den Schmerz der Frauen, den Schmerz des Erfolgs und den des Versagens, den guten Schmerz der Sportler und den schlimmen Schmerz der Schuldigen, die Qual der Einsamkeit und der Ignoranz, die nadelscharfe Folter der Städte und die stumpfe, wahnsinnige Pein der Ebenen, den Schmerz, zu wünschen, ohne zu wissen, was gewünscht wurde, die Agonie der heulenden Leere in jedem zusehenden, halbwachen Individuum. Kein Wunder, daß die Werbung beliebt war. Sie machte alles besser. Sie zeigte einem den Weg. Sie war nicht Teil des Problems. Sie löste die Probleme.
    Sogar in Professor Solankas Haus wohnte ein Werbetexter. Er trug rote Hosenträger und Hathaway-Hemden und rauchte sogar Pfeife. Er hatte sich erst am Nachmittag bei den Briefkästen im Vestibül vorgestellt, wobei er einen Satz aufgerollter Layouts in der Hand hielt. (Was ist mit Solankas Einsamkeit, fragte sich der Professor in Gedanken, daß sich seine Nachbarn verpflichtet fühlten, sie zu stören?) »Mark Skywalker, vom Planeten Tatooine.«
    Wie auch immer, hätte Perry Pincus vermutlich gesagt. Solanka war nicht interessiert an diesem fliegengeschmückten, bebrillten, eindeutig Jedi-Ritter-unähnlichen jungen Mann, und als ehemaliger Science-Fiction-Fan verachtete er die primitiven Weltraumseifenopern von Star Wars. Aber er hatte inzwischen gelernt, in New York niemals mit Selbsterfindungen zu streiten. Außerdem hatte er gelernt, den Professor zu unterschlagen, sobald er gezwungen war, sich selbst vorzustellen. Bildung verärgerte die Menschen, und Förmlichkeiten waren eine Form der Vorteilsnahme durch Titel. Dies war das Land der Diminuitive. Selbst die Geschäfte und Restaurants wurden schnell familiär. Gleich um die Ecke gab es Andy’s, Bennie’s, Josie’s, Gabrielas, Vinnie’s, Freddie & Pepper’s. Er hatte das Land der Zurückhaltung, des Understatement und des Ungesagten hinter sich gelassen, und das war im großen ganzen gut so. Bei Hana’s (medizinische Artikel) konnte man einfach in den Laden gehen und einen BRUSTAMPUTATIONS-BH kaufen. Das Unaussprechliche stand da in fußhohen roten Buchstaben im Schaufenster. Jedenfalls antwortete er ganz neutral »Solly Solanka« und überraschte sich selbst damit, daß er den ungeliebten Spitznamen gebrauchte; woraufhin Skywalker die Stirn runzelte. »Sind Sie ein landsman ?« Das war ein Wort, das Solanka unbekannt war; er sprach es aus und entschuldigte sich dafür. Skywalker nickte. »Ich dachte, vielleicht wegen dem Solly. Außerdem, entschuldigen Sie, ein wenig wegen Ihrer Nase.« Die Bedeutung des unbekannten Ausdrucks wurde in diesem Zusammenhang schnell klar und regte eine interessante Frage an, die zu stellen Solanka sich jedoch enthielt: Gab es in Tatooine denn auch Juden?
    »Sie sind Brite, nicht wahr?« fuhr Skywalker fort. (Solanka stieg nicht in die postkolonialen, migrationalen Feinheiten ein.) »Das hat Mila mir gesagt. Tun Sie mir einen Gefallen. Sehen Sie sich die hier an.« Mila war offenbar die junge Kaiserin der Straße. Mit Vergnügen bemerkte Solanka die Euphonie ihrer beider Namen. Mila, Malik. Wenn die junge Frau die entdeckte, würde sie bestimmt nicht der Versuchung widerstehen können, sie ihm gegenüber zu erwähnen. Und er würde gezwungen sein, auf das Offensichtliche hinzuweisen, nämlich daß Laute keine Bedeutung hatten und daß dies nur ein interlinguales Echo sei, aus dem nichts, schon gar nicht eine menschliche Verbindung, entstehen mußte. Der junge Werbemann hatte die Layouts entrollt und auf dem Tisch im Vestibül ausgebreitet. »Ich möchte Ihre ehrliche Meinung«, erklärte Skywalker. »Es ist eine Corporate-Image-Werbung.« Die Layouts zeigten doppelseitige Bilder berühmter

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