Wut
nichts probieren. Von dem Konzept der Miete, des Time-Sharing, halten sie nichts. Die sind verkorkst, Mann. Sie suchen nach Immobilien auf einem Markt, der auf verrückte Höhen gestiegen ist, aber sie wissen, daß er bald sogar noch höher steigen wird.« In dieser Version der Wahrheit hatte Rhineharts unvollständige Scheidung ihm Luft zum Atmen, hatte ihm Lebensraum gegeben. Die Frauen probierten ihn aus, denn er war schön und charmant, und sie waren bereit, zu warten, bis sie von der Endlosigkeit des Wartens die Nase voll hatten. Man konnte die Situation jedoch auch anders auslegen. Oben, wo Rhinehart jetzt zum größten Teil lebte, auf dem Big Rock Candy Mountain, dem Diamond as Big as the Ritz, waren alle anderen ihm an Klasse buchstäblich weit überlegen und in dem Moment, in dem er in die Falle ging und wollte, was da oben auf dem Olymp im Angebot war, außerdem überfordert. Er war, vergessen wir das nicht, ihr Spielzeug, und Mädchen spielen zwar mit ihren Spielsachen, heiraten sie aber nicht. So war dieses Halbverheiratetsein, diese endlose Scheidungsfarce auch eine Möglichkeit für Rhinehart, sich selbst etwas vorzumachen. Als Junggeselle, und zwar als alternder - er war inzwischen über Vierzig -, hatte er sich fast überlebt. Kam er - tödlich für jeden ehrgeizigen Ladykiller - fast nicht mehr in Frage.
Malik Solanka, anderthalb Jahrzehnte älter als Jack Rhinehart und ein dutzendmal gehemmter, hatte oft mit neidischem Staunen zugesehen und zugehört, wie Rhinehart auf so unverschämt männliche Art der Aufgabe seines Lebens nachging. Den Kampfzonen, den Frauen, den gefährlichen Sportarten, dem Leben eines Mannes der Tat. Selbst seine inzwischen aufgegebene Lyrik war vom Schlag der virilen Ted-Hughes-Schule gewesen. Häufig hatte Solanka das Gefühl gehabt, daß Rhinehart, obwohl er, Solanka, um Jahre älter war, der Meister und er der Schüler war. Ein einfacher Puppenmacher mußte sich verneigen vor einem Windsurfer, einem Skydiver, einem Bungeejumper, einem Felsclimber, einem Mann, dessen Vorstellung von Spaß es war, zweimal die Woche zum Hunter College zu gehen und vierzig Treppen hinauf und hinab zu rennen. Ein Junge zu sein - doch dies geriet zu sehr in die Nähe seiner verbotenen, ausgelöschten Hintergrundstory - war etwas, das Malik Solanka niemals ganz auszuleben vergönnt gewesen war.
Patrick Kluivert schoß ein Tor für die Holländer, und beide, Solanka und Rhinehart, sprangen auf, schwenkten ihre Flaschen mit mexikanischem Bier und brüllten laut. Dann klingelte es an der Wohnungstür, und Rhinehart sagte ohne weitere Erklärung: »Übrigens, ich glaube, ich bin verliebt. Ich hab sie eingeladen, uns Gesellschaft zu leisten. Hoffentlich hast du nichts dagegen.« Das war keine neuartige Ankündigung. Gewöhnlich signalisierte sie die Ankunft dessen, was Rhinehart unter Männern als neue Kellnerin bezeichnete. Was nun jedoch folgte, war tatsächlich neu. »Sie ist eine von euch«, sagte Rhinehart über die Schulter, während er aufstand, um die Tür zu öffnen.
»Indische Diaspora. Einhundert Jahre Dienstbarkeit. In den Achtzehnneunzigern gingen ihre Vorfahren als Kontraktarbeiter nach, wie heißt das noch? Lilliput-Blefuscu. Jetzt leiten sie die Zuckerproduktion, und ohne sie würde die Wirtschaft zusammenbrechen, aber du weißt ja, wie es überall ist, wo Inder hingehen. Die Menschen mögen sie nicht. Sie arbeiten zuviel, und sie bleiben für sich, und sie benehmen sich so verdammt hochnäsig. Da kannst du jeden fragen. Frag Idi Amin.«
Im Fernsehen spielten die Holländer großartigen Fußball, aber das Spiel war plötzlich irrelevant geworden. Malik Solanka dachte, daß die Frau, die soeben Rhineharts Wohnzimmer betreten hatte, die bei weitem schönste Inderin - die bei weitem schönste Frau - war, die er jemals gesehen hatte. Verglichen mit der berauschenden Wirkung ihrer Gegenwart war die Flasche Dos Equis in seiner linken Hand ganz und gar alkoholfrei. Auch andere Frauen auf der Welt waren, wie er vermutete, knapp unter einsachtzig groß, mit taillenlangen schwarzen Haaren; und zweifellos fand man so rauchgraue Augen auch anderswo, genauso wie andere Lippen, die ebenfalls so üppig, andere Hälse, die ebenso schlank, andere Beine, die ebenso endlos lang waren. Auch andere Frauen hatten vielleicht Brüste wie diese. Na und? Mit den Worten eines idiotischen Songs aus den Fünfzigern, Bernardine, gesungen vom Schallplattenliebling seiner Mutter, dem christlich-konservativen Pat
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