Wut
viele Geld und die Macht da drin sind, und wenn sie mit den Fingern schnalzen, Mann, fängt dieser Planet sofort an zu springen.« (Rhinehart hatte die Gewohnheit, von Zeit zu Zeit, als Betonung oder aus Spaß, in den Eddie-Murphy-trifft-Br’er-Rabbit-Slang zu fallen.) »Jetzt, wo ich über diese Milliardärin im Koma schreibe, oder über jene betuchten Kids, die ihre Eltern abzocken, jetzt, wo ich diesen lukrativen Job habe, sehe ich mehr von der Wahrheit der Dinge als bei dem verfluchten Desert Storm oder in den Heckenschützengassen von Sarajevo, und glaube mir, es ist genauso leicht, ja sogar leichter, auf eine beschissene Tretmine zu treten und sich in Stücke zerreißen zu lassen.«
Wenn Professor Solanka in dieser Zeit hörte, daß sein Freund eine Version dieser nicht seltenen Rede lieferte, entdeckte er einen immer stärker werdenden Unterton von Unaufrichtigkeit darin. Als Jack in den Krieg zog - ein bekannter, junger, radikaler und farbiger Journalist mit dem hervorragenden Ruf, den amerikanischen Rassismus und infolgedessen eine Reihe mächtiger Feinde unter die Lupe zu nehmen, hatte er viele der Ängste gehegt, wie sie eine Generation zuvor vom jungen Cassius Clay geschildert worden waren: das heißt, vor allem Angst vor der Kugel im Rücken, vor dem Tod durch das, was damals noch nicht als friendly fire bekannt war. In den darauffolgenden Jahren wurde Jack jedoch immer wieder Zeuge der tragischen Begabung seiner Spezies, den Begriff der ethnischen Solidarität zu ignorieren: der Brutalitäten von Schwarzen gegen Schwarze, Arabern gegen Araber, Serben gegen Bosnier und Kroaten. Ex-Jugo, Iran-Irak, Ruanda, Eritrea, Afghanistan. Der Eliminierungen auf Timor, der Massaker an ganzen Völkern in Meerut und Assam, des endlosen, farbenblinden Kataklysmus der Welt. Irgendwann in jenen Jahren brachte er es fertig, enge Freundschaft mit seinen weißen Kollegen aus den USA zu schließen. Sein Etikett veränderte sich. Er gab den Bindestrich auf und wurde schlicht und einfach Amerikaner.
Solanka, der ein Gespür für die Untertöne derartiger Umbenennungen hatte, begriff, daß für Jack bei diesen Umwandlungen viele Enttäuschungen eine Rolle spielten, ja, daß ein großer Teil seines Zornes auf das gerichtet war, was weiße Rassisten nur allzu gern als seine eigenen Leute bezeichnet hätten, und daß ein solcher Zorn sich allzu leicht gegen den Zornigen selbst wendet. Jack hielt sich fern von Amerika, heiratete eine weiße Frau und bewegte sich in bien-pensants -Kreisen, in denen Rasse kein Thema war: das heißt, daß nahezu alle weiß waren. Wieder in New York, von Bronislawa getrennt, fuhr er fort, mit denen zu verkehren, die er die Töchter der Bleichgesichter nannte. Aber der Scherz vermochte die Wahrheit nicht zu verdecken. In letzter Zeit war Jack mehr oder weniger der einzige Schwarze, den Jack kannte, und Solanka war vermutlich der einzige Braune. Rhinehart hatte eine Grenze überschritten.
Und nun überschritt er vielleicht eine weitere. Jacks neuer Job gewährte ihm Zutritt zu allen Palästen, und das liebte er. Mit gallegiftiger Bosheit schrieb er über dieses vergoldete Milieu, beschimpfte es für seine krasse Dummheit, seine Blindheit, seine Gedankenlosigkeit und Oberflächlichkeit, aber die Einladungen von den Warren Redstones und Ross Buffetts, von den Schuylers und Muybridges, den Van Burens und Kleins, von Ivana Opalberg-Speedvogel und Marlalee Booken Candell kamen dennoch, weil der Mann süchtig nach ihrer Welt war, das wußten sie. Er war ihr Hausnigger, und es paßte ihnen, ihn als, wie Solanka argwöhnte, eine Art Schoßhund um sich zu haben. Jack Rhinehart war ein nützlicher, nicht eindeutig schwarzer Name, dem kein Getto-Beiklang wie Tupac, Vondie, Anfernee oder Rah’schied anhaftete (es war die Zeit phantasievoller Namensgebungen und kreativer Orthographie in der afro-amerikanischen Gemeinde). In den Palästen trug man derartige Namen nicht. Die Männer wurden nicht Biggie, Hammer, Shaquille, Snoop oder Dre genannt, die Frauen nicht Pepa, LeftEye oder DrNeece. Es gab keine Kunta Kintes oder Shaznays in Amerikas goldenen Hallen; wo ein Mann jedoch als sexuelles Kompliment Stash oder Club genannt werden konnte, während die Frauen Blaine, Brooke oder Horne hießen, und alles, was man sich wünschen konnte, vermutlich zwischen den Seidenlaken gleich hinter der Tür der Schlafzimmersuite dort stattfand, der Tür, die ein ganz klein wenig offenstand.
Ja, Frauen, natürlich. Frauen waren
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