Wyler, Leana
Kelch Wein ein, den er in einem Satz hinunterschüttete. Hunger hatte er keinen. Neben der Karaffe lagen die Geschenke, die er seiner Ehefrau überreichen würde. Kostbare Kleider, reich bestickte Umhänge, fein gearbeiteter Schmuck. Das Beste aus der ganzen Grafschaft war hier zusammengetragen worden und lag nun auf dem Tisch ausgebreitet, damit er die schönsten Stücke auswählte. Seine Diener würde diese dann sorgsam verpacken und in eine weitere Kiste legen.
Er nahm ein Kleid zur Hand. Schwarzer Stoff, tiefer Ausschnitt, auf dem Brustteil waren mit feinen Silberfäden kunstvolle Blumen eingestickt worden, die sich elegant umeinander rankten. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, wie die fahle Marian in diesem Gewand aussah. Aber Susannah, ihr würde es stehen, ihr glänzendes Haar würde schmeichelnd über die schmalen Träger fallen, ihre Brüste würden hier am Ausschnitt –
Verflucht! Er warf das Kleid zurück auf den Tisch. Nahm seine Wanderung durchs Zimmer wieder auf. Sie wollte nicht aus seinem Kopf verschwinden. Je mehr er es anstrebte, um so tiefer nistete sie sich in all seinen Gedanken ein. Völlig abartige Vorstellungen schwirrten durch seinen Kopf, es war kaum zu glauben.
Letzte Nacht hatte er tatsächlich von ihr geträumt. Sie war vor ihm gestanden, hatte ihre Arme nach ihm ausgestreckt und er war auf sie zugelaufen, das Herz übersprudelnd vor Freude und Leichtigkeit. Alles war ganz schwerelos mit ihr. Er musste ihr keinen mächtigen Herrscher vorspielen, sie verachtete ihn nicht einmal, wenn er schwach wie ein erbärmliches Kind herumheulte oder dümmlich auf eine Wand einprügelte. Sie hatte ihn nicht ausgelacht, sondern ihr Kleid zerrissen und seine Hände verbunden. Und wissen wollen, wie es damals für ihn gewesen war mit Cecelya.
Er mochte, wie sie mit ihm redete. Frech manchmal, aber auch das gefiel ihm. Oder wie ihre Augen blitzten, wenn er etwas sagte, was sie nicht billigte.
Er mochte, dass sie offenbar erspüren konnte, wie er sich fühlte. Und ohne nachzudenken ihre Hand an seine Wange legte, ihren Arm um seine Schulter. War das für alle Menschen so einfach?
Er kannte das nicht. Aber es war ein Geschenk.
Er mochte ihren hellen Kopf und dass er ihr Dinge nicht erklären musste. Sie verstand von alleine. Mehr als die meisten seiner männlichen Gefolgsleute.
Eadric stand wieder am großen Tisch. Dabei konnte er sich gar nicht erinnern, dort hingeschritten zu sein.
Vorsichtig nahm er ein Paar äußerst filigraner Ohrringe aus dem blauen Schächtelchen, in das sie gebettet worden waren, und hielt sie gegen das Licht, das durchs Fenster fiel. Winzige Saphire funkelten in den Sonnenstrahlen.
Er wusste genau, wie Susannahs Haut roch, dort, an der Stelle hinter den Ohrläppchen. Allein der Gedanke daran, ließ das Blut in seine Lenden schießen.
Er wusste, wie sie schmeckte, denn er hatte sie schon geküsst, dort, wo der Haaransatz endete und die feine Linie ihres Halses begann.
Und verdammt nochmal, es fühlte sich so unsagbar gut an, ihren Körper zu spüren!
Er schlug mit der Hand so fest auf die Tischplatte, dass der Schmuck in den Kästchen klirrte. Zum Teufel, wieso sah er nicht endlich ein, dass sie nur ein übles Spiel mit ihm getrieben hatte? Sie war genauso verlogen und durchtrieben wie alle anderen Weiber, die ihm bisher untergekommen waren, seine vermeintliche Mutter mit eingeschlossen. Susannah hatte doch nur dem Pakt entkommen wollen und ihn zum Narren gehalten mit diesen abartigen Variationen eines Liebesspiels, die sie ihm zukommen hatte lassen.
Sicher hatte sie, kaum dass die Tür hinter ihr zugeschlagen war, lauthals aufgelacht über diesen dummen Esel Nottingham, der sich so zum Bock machen ließ. Sein Brustkorb zog sich zusammen und sein Magen schmerzte. Vielleicht sollte er aufhören, Wein in sich hineinzuschütten. Er stellte den befüllten Kelch zurück auf den Tisch und strich sich mit beiden Händen übers Gesicht.
Ein wundervoller Traum war es gewesen, ganz kurz, als er sich eingeredet hatte, dass sie Gefühle für ihn haben könnte. Dass er ihr etwas bedeutete als Mensch. Oder Mann.
Dabei hatte sie ihn sicher nur einlullen wollen mit ihren vorgespielten Zärtlichkeiten. Er biss die Zähne so fest aufeinander, dass sein ganzer Kiefer und der Nacken schmerzten. Und schon wieder war sie bei ihm in seiner Phantasie, ganz deutlich, ihre Hände auf seinen verspannten Schultern, so warm und sanft, wie sie diese kneteten und streichelten und liebkosten
Weitere Kostenlose Bücher