Wyrm. Secret Evolution
sich angenehm kühl und erfrischend an, und sie lockte ihn weiter, schon stand er bis zu den Knöcheln in ihr.
Erstaunt sah er, wie sich jetzt das Spiegelbild verwandelte, zu einem zierlichen Mädchen mit einem schmalen Gesicht und dunklen kinnlangen Haaren wurde, dann wieder zerfloss, um sich in ständiger Bewegung immer neu zu formen.
Er trat noch ein kleines Stück tiefer in die silbrige Flüssigkeit hinein. Im selben Augenblick erhob sich die merkwürdige Erscheinung, nahm vertraut menschliche Züge an und begann sich in eine dreidimensionale Säule nach oben zu strecken, die die Umrisse eines Frauenkörpers hatte â und auch wieder nicht.
Die Zeit der Begegnung war gekommen.
02
Alina hasste das versiffte Mietshaus, in dem sie nun schon seit Ewigkeiten mit Menschen unter einem Dach zusammenlebte, für die sie nicht mehr wert war als HundescheiÃe. Sie brachte niemals Besuch hierher, Freunde hatte sie auch gar keine. Und niemals wäre sie auf die Idee gekommen, jemanden aus ihrer sogenannten Familie in das Geheimnis ihres verborgenen Kellerreiches einzuweihen.
Das war jetzt alles anders. Sie hätte noch nicht einmal wirklich sagen können, warum, aber irgendetwas an den drei erschöpften Gestalten, die ihr Leben riskieren wollten, um ihren vermissten Freund zu finden, faszinierte sie. Vielleicht, weil sie ihr zum ersten Mal in ihrem Leben vorlebten, dass es so etwas wie Freundschaft tatsächlich gab.
Auf dem Weg in ihr Viertel hatte Alina wie selbstverständlich die Führung übernommen, die anderen blieben etwas hinter ihr zurück. Sie war viel zu aufgeregt, um ihren Gesprächen mit mehr als nur einem halben Ohr zu lauschen. Trotzdem kam sie nicht umhin zu erfahren, dass die Kleidung, in der Nico und Jana steckten, nicht ihre eigene war: Sie hatten sie einer Krankenschwester und einem Pfleger gemopst, die unvorsichtig genug gewesen waren, ihre Zivilkleidung in einem Nebenraum des Schwesternzimmers hängen zu lassen, statt sie in ihre Spinde einzuschlieÃen.
Nicos Beine steckten demnach in einer Hose, die wohl für Elefantenbeine gemacht war, so sehr umschlackerte sie seine Oberschenkel und Knie â fand zumindest Maya. Nico erzählte daraufhin, wie er mit einer Nagelschere ein zusätzliches Loch in den Gürtel hineingebohrt hatte, der nun stramm in seinen Bauch einschnitt und verhinderte, dass das unförmige Stück Stoff an seinen Beinen hinabrutschte.
Alina war in diesem Moment dann doch neugierig geworden und blickte zurück. Auch die beigefarbene Jacke, die Nico trug, war mindestens fünf Nummern zu groà für ihn, was ihn durch ihre feste Struktur so aussehen lieÃ, als hätte er sich in einer Muckibude die Oberarme und den Brustkorb auf Arnold-Schwarzenegger-MaÃe aufgepumpt.
Jana hatte es wesentlich besser getroffen. Jeans, Oberteil und Jacke passten ihr beinahe wie angegossen und sahen zudem noch so gut an ihr aus, dass sie mit ihrer Blässe wie ein Model wirkte â allerdings eines, das sich gerade irgendwelche Drogen eingeschmissen hatte, so kraftlos erschien ihr Körper.
Alina wandte jetzt wieder ihren Blick nach vorne und beschleunigte ihre Schritte. Die ganze Zeit über redeten Maya, Nico und Jana über Kleidung und ähnliche Belanglosigkeiten. Das Thema David vermieden sie, ebenso alles andere, was mit der Katastrophe zu tun hatte. Das war ihr ganz recht. Innerlich war ein Teil von ihr noch immer mit dem Wachtraum verknüpft, der sie vorhin überfallen hatte. Er war so ⦠intensiv gewesen wie nie zuvor. Und er hatte etwas in ihr geweckt, das sie sich nicht näher erklären konnte.
Es fügte sich alles zusammen. Die Begegnung stand bevor.
SchlieÃlich hatten sie das Haus mit der Nummer vierundzwanzig erreicht.
»Hübsch hässlich«, kommentierte Maya, als Alina die Eingangstür des fünfstöckigen Sechzigerjahrebaus mit der abgeblätterten Fassade aufstieÃ, die drei Freunde hereinwinkte und den Schalter der Flurbeleuchtung drückte. Natürlich blieb es dunkel. Wahrscheinlich war mal wieder die Sicherung rausgeflogen.
»Was für ein finsteres Loch«, entfuhr es Maya dann, als sie als Erste den Hausflur betrat.
Nico schob sich an ihr vorbei und kramte etwas aus der Tasche seiner überdimensionierten Jacke hervor. »Seht mal, was ich hier habe«, triumphierte er, während er seine Taschenlampe hin und her schwenkte. »Ich habe sie
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