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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zurückweichen. Einen Moment lang stand er würgend da, dann trat er noch einige weitere Schritte zurück und nahm mehrere tiefe Atemzüge, bevor er sich der Tür ein zweites Mal näherte. Er vermied es sorgsam, durch die Nase zu atmen. Trotzdem schnürte ihm der Gestank beinahe sofort wieder die Kehle zu, und ihm wurde erneut übel. Was immer er auch finden mochte – er würde sich auf jeden Fall nicht lange in der Kirche aufhalten können.
    Unmittelbar unter der Tür blieb er noch einmal stehen und versuchte die Schwärze dahinter mit Blicken zu durchdringen. Er sah nichts, aber er hörte ein unheimliches schlürfendes Geräusch und dann etwas wie ein feuchtes Schaben; als würde ein großes Stück nassen Leders über den Boden gezerrt.
    Sein Herz begann zu hämmern. Ohne dass er etwas dagegen zu tun vermochte, tauchte das Bild der bleichen Kreatur wieder vor ihm auf, die er in Morrisons Haus gesehen hatte. Seine Hände begannen sacht zu zittern, und für einen Moment war er so weit, einfach kehrtzumachen und das Geheimnis Geheimnis bleiben zu lassen.
    Coppelstone verscheuchte den Gedanken und schalt sich selbst einen leichtgläubigen Narren. Mit einem entschlossenen Schritt trat er vollends in die Kirche hinein, zog die Tür hinter sich zu, verstaute das Brecheisen unter dem Gürtel und entzündete seine Grubenlampe.
    Was immer er erwartet hatte, es war nicht da. Die Kirche bot einen bejammernswerten Anblick, fast noch schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte, aber da waren weder Ungeheuer noch geifernde Schatten, die sich auf ihn stürzten.
    Obwohl die Grubenlampe nicht sehr stark war, reichte ihr Schein aus, das Innere der Kirche hinlänglich zu erleuchten und ihm zu zeigen, dass das, was Reeves über dieses Gotteshaus erzählt hatte, wohl der Wahrheit entsprach. Die frische Farbe, die Blumenbeete und der ordentliche Zaun waren nur Fassade, hinter der sich ein seit mindestens einem Menschenalter andauernder Verfall verbarg. Die Bänke waren vermodert und zu unordentlichen Haufen aus aufgeweichten Spänen und grünlichem Schimmel zusammengefallen, Wände und auch Fensterscheiben waren mit einer gut fingerdicken Schmutzschicht bedeckt, die vermutlich auch das Licht eines noch sehr viel stärkeren Scheinwerfers verschluckt hätte, sodass er kaum Gefahr lief, sich durch das Licht seiner Grubenlampe zu verraten. Von der Decke hingen fast daumendicke Staubfäden herab, und der Boden war mit einer schwarzen, schmierigen Masse bedeckt, in der seine Schritte saugende, widerwärtige Geräusche verursachten.
    Auch der Altar teilte das Schicksal der Bänke und war praktisch verschwunden, und von dem großen Holzkreuz, das einmal an der Wand dahinter gehangen haben musste, war nur noch ein Schatten geblieben. Die Wand war jedoch keinesfalls leer. Als Coppelstone näher herantrat und seine Lampe hob, gewahrte er eine höchst verwirrende Malerei, die den fleckigen Stein vom Boden bis zum Dach hinauf bedeckte.
    Es war ein sehr, sehr sonderbares Bild. Coppelstone vermochte beim besten Willen nicht zu sagen, was es darstellte – falls es überhaupt irgendetwas darstellte und nicht nur das Gekritzel eines Wahnsinnigen war. Doch es erfüllte ihn fast augenblicklich mit einem Unbehagen, das von Sekunde zu Sekunde stärker wurde. Plötzlich musste er wieder an das denken, was Reeves erzählt hatte: dass manche von denen, die dem Geheimnis von Magotty zu nahe gekommen waren, den Verstand verloren hatten. Natürlich war er weit davon entfernt, nur durch den Anblick dieser seltsamen Wandmalerei den Verstand zu verlieren, aber er begriff jetzt besser, was Reeves gemeint hatte.
    Trotzdem brachte ihn diese Erkenntnis der Lösung des Rätsels keinen Schritt näher. Die Kirche gab weniger her, als er gehofft hatte – um nicht zu sagen, gar nichts. Es schien, als wäre das nicht geringe Risiko, das er mit seinem Einbruch hier immerhin eingegangen war, völlig umsonst gewesen. Was aber hatten die Männer in den Kutten, die er beobachtet hatte, hier drinnen getan?
    Er hob seine Lampe höher, drehte sich einmal im Kreis und entdeckte schließlich eine zweite Tür, die vermutlich in die Sakristei führte. Er öffnete sie, trat hindurch und fand sich tatsächlich in einem winzigen, fensterlosen Raum wieder. Zwei Wände waren mit halb vermoderten Regalen voller faulender Bücher und schimmelig gewordener Papierstapel bedeckt, die gegenüberliegende Tür verbarg sich hinter einem schwarzen Vorhang, der noch relativ neu zu sein schien. Er
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