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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vermeintlichen – Sicherheit verheißenden Nähe anderer Menschen, beruhigte er sich rasch wieder. Doch das war nicht der Moment, Fragen zu beantworten. Er musste selbst erst ein paar Antworten finden.
    »Ich erzähle Ihnen gerne alles, nur später«, sagte er. »Jetzt muss ich erst einmal aus diesen Kleidern heraus.«
    »Das glaube ich Ihnen gerne, Sir«, sagte der Wirt. »Ich lasse Ihnen gleich einen heißen Kaffee aufs Zimmer bringen. Oder ist Ihnen eher nach etwas Stärkerem?«
    Das war es Coppelstone tatsächlich. Doch es war wichtig, dass er einen klaren Kopf behielt, deshalb lehnte er ab und sagte: »Kaffee ist gut. Und denken Sie an das Bad.«
    Er wandte sich um, ging die Treppe hinauf in sein Zimmer und schlüpfte rasch aus Jackett, Weste und Schuhen. Erst dabei fiel ihm auf, wie erbärmlich die Kleider stanken. Vermutlich war das auch der Grund gewesen, aus dem der Wirt so eifrig darum bemüht gewesen war, einen möglichst großen Abstand zu ihm einzuhalten.
    Er entledigte sich auch noch seiner übrigen Kleider, warf sie in einem Haufen auf den Boden und wickelte sie in eine Decke, die er vom Bett nahm. Seine Gedanken kreisten noch immer unentwegt um das, was er gerade erlebt hatte. Er begriff einfach nicht, was das für eine Kreatur gewesen sein mochte. Er hatte niemals von einem Geschöpf wie diesem gehört, und er war auch sicher, dass es den allermeisten Menschen auf der Welt nicht anders erging. Eine Schnecke, die doppelt so lang wie ein erwachsener Mann war … Noch vor Tagesfrist hätte er diese Vorstellung als grotesk empfunden und laut darüber gelacht. Doch ihm war nicht nach Lachen zumute. Ganz im Gegenteil: Der pure Anblick des Geschöpfes war das mit Abstand Schrecklichste gewesen, was er jemals erlebt hatte.
    Dabei glaubte er nicht einmal, dass es wirklich gefährlich gewesen war; dazu war die Kreatur zu plump gewesen und zu verwundbar. Viel schlimmer war das, was er in ihrer Gegenwart spürte . Sie strahlte etwas so vollkommen Falsches, Andersartiges aus, dass dieser Odem allein reichte, ihn schon bei der bloßen Erinnerung an sie wieder vor Angst zittern zu lassen. Es war, als … wäre sie nicht Teil der göttlichen Schöpfung, dachte Coppelstone, sondern das Produkt einer vollkommen anderen, düsteren Genesis. Wie hatte Reeves es genannt? Dinge, die älter waren als das Menschengeschlecht? Er wusste jetzt, was er gemeint hatte.
    Trotz allem begann er sich langsam zu beruhigen. Seine Hände zitterten nicht mehr, und auch seine Gedanken begannen allmählich wieder in den gewohnten logischen Bahnen zu verlaufen. Es gab nun absolut keinen Zweifel mehr daran, dass die Bewohner Magottys ein düsteres Geheimnis hüteten, doch er vermutete, dass es trotz allem eher biologischer als spiritistischerNatur war. Er vermutete allerdings auch stark, dass weder Buchanan noch die anderen Magottyler sich dieses Geheimnis so ohne Weiteres entreißen lassen würden. Er war sicher gut beraten, wenn er auf Reeves’ Warnung hörte und beim nächsten Besuch in Magotty äußerst vorsichtig war.
    Da sicher noch eine Weile vergehen würde, bis der Wirt mit heißem Wasser für das Bad kam, nahm er das Gemeindebuch zur Hand, das er aus der Sakristei mitgebracht hatte, und begann vorsichtig darin zu blättern. Das Papier war so brüchig, dass er aufpassen musste, die Blätter nicht zu zerreißen, und die Tinte war verblasst und zum Teil längst unleserlich geworden.
    Das wenige, was er entziffern konnte, war auf den ersten Blick wenig aufschlussreich. Es handelte sich fast ausschließlich um Geburts-, Sterbe-, und Hochzeitsdaten der Dorfbevölkerung. Eine Besonderheit fiel ihm jedoch auf: Hinter manchen der Sterbedaten war ein handschriftliches »W« vermerkt, und als er die Liste ein zweites Mal durchging und gezielt nach diesem Postskriptum suchte, bemerkte er auch noch etwas. Keiner der Verstorbenen, deren Namen auf diese Weise markiert worden waren, war älter als dreißig Jahre geworden – und keiner war jünger als fünfundzwanzig gewesen. Das war höchst sonderbar, und darüber hinaus vielleicht etwas, das ihm von großem Nutzen sein mochte, war es doch der erste wirkliche Hinweis darauf, dass es in Magotty nicht nur nicht mit rechten Dingen zuging, sondern dass dort möglicherweise ein Verbrechen stattgefunden hatte. Er zählte die Anzahl der mit »W« markierten Namen und kam allein in diesem Band auf siebenundzwanzig. Die Sterblichkeitsrate in Magotty war erstaunlich hoch.
    Einer der auf diese Weise
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