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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Magotty, und er war ziemlich sicher, dass die Menschen hier die Antworten auf die meisten seiner Fragen kannten.
    »Was sind das für Dinge?«, fragte er. »Die, die im Land leben. Der Wyrm. Was ist das?«
    »Woher wissen Sie von diesen Dingen?«, fragte Reeves. Er klang fast entsetzt. Coppelstone war sicher, dass nur eine Winzigkeit gefehlt hätte, und er hätte das Kreuzzeichen gemacht.
    »Ich habe davon gehört«, antwortete er. »Doch viel mehr weiß ich auch nicht.«
    »Und das ist auch gut so«, antwortete Reeves etwas ruhiger. »Es gibt Dinge, von denen man besser nichts weiß, glauben Sie mir.«
    »Es tut mir sehr leid, aber das kann ich nicht, Reverend«, sagte Coppelstone.
    »Sind Sie Agnostiker?«, fragte Reeves.
    »Nein«, antwortete Coppelstone – was ehrlich gemeint war. »Ich glaube an Gott und Jesus Christus, und ich glaube an das Gute im Menschen, auch wenn es nicht immer die Oberhand behalten mag. Aber ich glaube nicht an irgendwelche Spukgeschichten oder uralte indianische Legenden.«
    »Es sind keine indianischen Legenden, Mister Coppelstone«, antwortete Reeves ernst. »Was dort oben in Morrisons Tal lebt, hat nichts mit indianischen Mythen oder gar Spukgeschichten zu tun.«
    »Womit sonst?«
    »Das weiß niemand«, behauptete Reeves. »Viele haben im Laufe der Zeit versucht das Geheimnis zu lüften, doch niemandem ist es gelungen. Und die, die ihm zu nahe kamen, sind entweder verschwunden oder gestorben. Manche wurden wahnsinnig. Nur so viel: Die Menschen in Magotty haben sich mit Mächten eingelassen, die älter sind als alles, was Sie sich vorstellen können. Sie waren schon dort, lange bevor sie kamen. Lange bevor die Indianer in dieses Land kamen, und vielleicht lange ehe es überhaupt Menschen auf der Welt gab. Und sie werden noch da sein, wenn es uns schon längst nicht mehr gibt.«
    »Unsinn!«, widersprach Coppelstone, mit einer Heftigkeit, die ihn selbst überraschte. Vielleicht, weil er tief in sich drinnen spürte, dass in Reeves’ Worten mehr Wahrheit lag, als er zugeben wollte. Um seinen Worten ein wenig von ihrer Schärfe zu nehmen, lächelte er und fuhr etwas leiser fort: »Bitte verzeihen Sie, Reverend. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, aber gerade von einem Mann Gottes hätte ich etwas mehr … nennen wir es Objektivität erwartet.«
    »Nicht so abergläubisches Gerede?« Reeves trank einen gewaltigen Schluck Bier und schüttelte den Kopf. »Das dort draußen hat nichts mit Gott zu tun, Mister Coppelstone. Die Schöpfung ist gewaltig. Viel gewaltiger, als wir alle ahnen. Es gibt Dinge dort draußen, die unendlich böse sind und so abgrundtief schlecht, dass schon das bloße Wissen um ihre Existenz reicht, den Fragenden zu verderben.«
    »Und etwas von diesem Bösen ist dort draußen auf Morrisons Farm?«, wollte Coppelstone wissen.
    Reeves schwieg.
    »So oder so, es ist bald vorbei«, fuhr Coppelstone fort. »Die Zeiten ändern sich, Reverend, und auch Morrison und Magotty werden das nicht ändern. Sobald die Straße gebaut ist, werden eine Menge Fremde in diese Gegend kommen. Industrie. Fabriken. Handelsstationen. Menschen. «
    »Sie sind nicht der Erste, der das versucht«, sagte Reeves.
    Coppelstone winkte ab. »Wenn Sie Mister Waiden meinen, kann ich Sie beruhigen. Er ist ein fähiger Mann, aber er lässt sich offensichtlich leichter erschrecken als ich.«
    »Davon rede ich nicht«, antwortete Reeves. »Wissen Sie nichts von der Eisenbahn?«
    »Eisenbahn?«
    »Es ist mehr als fünfzig Jahre her«, erklärte Reeves. »Damals plante die Regierung, eine Eisenbahnlinie durch Morrisons Tal zu legen. Sie schickten Männer hierher. Männer wie Sie, Mister Coppelstone. Männer mit Gerichtsbeschlüssen und später wohl auch mit Gewehren.«
    »Was ist geschehen?«, fragte Coppelstone.
    Reeves zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber die Bahnstrecke wurde nie gebaut.« Er leerte sein Glas und stand auf. »Denken Sie darüber nach, Mister Coppelstone. Doch wie immer Sie sich auch entscheiden mögen, hören Sie auf mich: Bleiben Sie auf keinen Fall länger in Magotty als bis Sonnenuntergang. Und vergessen Sie eines nie: Neugier kann töten.«

09
    Er hatte dem Wirt aufgetragen, ihn eine Stunde vor Sonnenaufgang zu wecken, doch wie sich zeigte, wäre dies gar nicht nötig gewesen: Er war nach seinem Gespräch mit Reverend Reeves direkt wieder auf sein Zimmer gegangen, hatte aber nicht mehr besonders gut geschlafen. Seine Träume waren wiedergekommen, und auch wenn er
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