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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Coppelstone bei diesem Geräusch hatte. Die bloße Vorstellung allein reichte, ihm einen eisigen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Trotzdem blieb er nicht nur stehen, sondern drehte sich im Gegenteil sogar herum und bewegte sich langsam in die Richtung, aus der das Geräusch kam.
    Es verstummte sofort.
    Coppelstone hob seine Lampe höher, drehte sich nach rechts, nach links und wieder zurück – nichts. Vielleicht hatte er sich den Laut ja doch nur eingebildet. Seit er die verlassene Kirche betreten hatte, waren seine Nerven bis zum Zerreißen angespannt. Coppelstone wandte sich wieder zum Ausgang um … und fuhr mit einem gellenden Schrei zurück.
    Hinter ihm hatte sich eine weiße, pulsierende Scheußlichkeit aus den Trümmern der Kanzel erhoben. Das Geschöpf war so dick wie sein Oberschenkel und musste mindestens zehn Fuß lang sein, wenn nicht mehr, denn sein augenloser Schädel befand sich fast in Höhe von Coppelstones Gesicht. Es hatte keinerlei sichtbare Gliedmaßen oder Sinnesorgane und anstelle eines Maules einen langen, wild peitschenden Saugrüssel, der in Coppelstones Richtung züngelte. Sein Körper war vollkommen glatt, und eigentlich war er nicht weiß, sondern hatte im Grunde gar keine Farbe; unter dem schwammigen, halb durchsichtigen Fleisch konnte man missgestaltete, dunkle Organe pulsieren sehen. Es war nicht wirklich eine Schlange, sondern erinnerte eher an eine groteske Mischung aus einem riesigen Wurm und einer gigantischen, feucht glänzenden Schnecke.
    Das Geschöpf stieß einen zischenden Laut aus. Obwohl es keine Augen hatte, musste es Coppelstone irgendwie wahrnehmen, denn sein Kopf schoss plötzlich wie der Schädel einer angreifenden Kobra in Coppelstones Richtung und verfehlte ihn nur, weil er ganz instinktiv einen weiteren Schritt zurückstolperte. Gleichzeitig aber riss er auch das Brecheisen unter dem Gürtel hervor, holte aus und ließ es mit aller Gewalt auf die Grauen erregende Kreatur hinabsausen.
    Das Ergebnis übertraf seine kühnsten Erwartungen. Das weiße Fleisch der Kreatur setzte dem Hieb kaum Widerstand entgegen. Das Brecheisen verwundete es nicht etwa, sondern trennte seinen Schädel sauber wie ein Schwerthieb vom Körper. Die beiden ungleichen Hälften fielen zu Boden. Das kürzere Stück rührte sich nicht mehr, das andere jedoch begann wild zu zucken und hin und her zu schlagen, wobei es die Reste der zusammengestürzten Kanzel vollends zertrümmerte.
    Coppelstone wartete nicht ab, was weiter geschah. Er schleuderte das Brecheisen in hohem Bogen von sich, stürmte aus der Kirche und rannte zu seinem Wagen zurück, so schnell er nur konnte.

10
    Er raste nach Eborat zurück, ohne anzuhalten, und brachte den Wagen mit quietschenden Bremsen unmittelbar vor dem Gasthaus zum Stehen. Der Ort war gerade im Erwachen begriffen. In den meisten Häusern brannte Licht, und auch auf der Straße bewegte sich schon der eine oder andere Passant. Diesmal achtete Coppelstone jedoch nicht darauf, ob sie ihm freundliche, gleichgültige oder gar feindselig gesinnte Blicke zuwarfen. Obwohl seit seiner furchtbaren Begegnung in der Kirche annähernd eine halbe Stunde vergangen war, zitterte er noch immer am ganzen Leib, und sein Herz klopfte so hart, als wäre er die ganze Strecke von Magotty hierher gerannt und nicht mit dem Wagen gefahren.
    Mit zitternden Knien stieg er aus, betrat das Gasthaus und registrierte ohne die mindeste Überraschung, dass ihn der Wirt mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Er musste auch einen furchtbaren Anblick bieten: Bleich wie ein Toter, mit wirrem Haar und zerrissenen Kleidern sah er vermutlich eher aus wie ein Gespenst denn wie ein Landvermesser aus der Stadt.
    »Kann ich bei Ihnen noch länger bleiben?«, begann er, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten.
    »Jetzt … ja, Sir«, antwortete der Wirt stockend. Er rang sichtlich um seine Fassung. Als Coppelstone auf ihn zuging, wich er einen weiteren Schritt zurück, bis er fast mit dem Rücken gegen das Regal hinter der Theke stieß. »Aber was …?«
    »Gut«, fuhr Coppelstone fort. »Ich brauche das Zimmer für eine weitere Nacht. Möglicherweise länger. Und heißes Wasser wäre gut. Ich muss unbedingt ein Bad nehmen.«
    »Ich setze sofort einen Kessel voll auf«, sagte der Wirt. »Aber was ist denn passiert, Sir? Hatten Sie einen Unfall?«
    »So kann man es nennen«, antwortete Coppelstone ausweichend. Jetzt, als er hier drinnen war und in der – wenn auch vielleicht nur
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