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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ziel der unheimlichen Prozession lag. Es war die Kirche. Sie verschwanden nacheinander darin. Er konnte das Licht der Fackeln noch für einen kurzen Moment als trüben Schein durch die schmutzstarrenden Fenster erkennen, dann erlosch es.
    Hinter Coppelstones Stirn begann ein tollkühner Plan Gestalt anzunehmen. Er hatte ohnehin praktisch keine Chance, den Hunden und der Suchmannschaft zu entkommen, und er konnte auch nicht ernsthaft damit rechnen, sich noch einmal auf einem Baum vor seinen Verfolgern verbergen zu können. Spätestens die Hunde würden ihn aufspüren, und dann würde sich der Mob wahrscheinlich darum prügeln, wer ihn vom Baum schießen durfte.
    Warum also sollte er nicht den Männern in den dunklen Kutten folgen, die mittlerweile in der Kirche verschwunden waren? Die Kirche schien keine weitere Funktion zu haben, als den Einstieg in eine fremdartige und grausige Unterwelt zu verbergen; und er ahnte mit tödlicher Sicherheit, dass die Prozession bereits durch den Tunnel in der Kirche hinab auf dem Weg zu dem grausigen Geheimnis war, das er hatte ursprünglich ergründen wollen und das immer noch eine morbide Art der Faszination auf ihn ausübte. Zwar erfüllte ihn allein der Gedanke daran, noch einmal in diesen unheimlichen Tunnel hinabzusteigen, mit kalter, beklemmender Furcht, aber zumindest um die Hunde brauchte er sich dort unten keine Sorgen mehr zu machen. Sie würden sich nicht einmal in die Nähe der Kirche wagen; und selbst wenn, so mussten sie in dem entsetzlichen Gestank, der dort herrschte, sofort jede Witterung verlieren.
    Außerdem hatte er ohnehin keine große Wahl.
    Er überzeugte sich aufmerksam davon, dass niemand in seiner Nähe war, der ihn vielleicht durch einen dummen Zufall entdecken mochte, sobald er sein Versteck verließ, dann trat er aus dem Wald heraus und lief geduckt den Hang hinab. Er konnte die Straße nicht nehmen, sodass er den Ort, sich immer dicht am Waldrand haltend, in großem Bogen umging und sich zehn Minuten später der Kirche von der Rückseite aus näherte.
    Wie er gehofft hatte, war die Tür, die er am frühen Morgen aufgebrochen hatte, noch nicht wieder repariert worden. Jemand hatte eine Latte quer darübergenagelt, damit sie nicht im Wind schlug, doch es bereitete ihm trotz seiner verletzten Hände keine sonderliche Mühe, sie abzureißen.
    Zu seinem großen Bedauern hatte er diesmal keine Lampe dabei, doch was er in dem schwachen Licht sah, das von außen hereinfiel, zeigte ihm, dass Buchanans Leute nicht untätig gewesen waren. Nicht nur der tote Wurm, sondern auch die zusammengebrochenen Bänke und der vermoderte Altar waren entfernt worden. Coppelstone war sicher, dass hier in wenigen Tagen eine ganz normale, schmucke kleine Kirche stehen würde.
    Er zog die Tür hinter sich zu und tastete sich blind und mit weit vorgestreckten Händen zur Sakristei und dem Vorhang an ihrem Ende. Der Gestank erschien ihm fast noch schlimmer als bisher. Er nahm ihm augenblicklich den Atem, und in seinem Magen erwachte ein quälendes Gefühl der Übelkeit. Trotzdem war er fast froh darüber. Kein Hund der Welt würde sich hierher wagen.
    Behutsam schlug er den Vorhang zur Seite. Der Geruch wurde noch schlimmer, doch er sah auch das rötliche Flackern weit entfernten Fackelscheins, und als er lauschte, glaubte er Stimmen zu hören. Er konnte die Worte nicht verstehen, aber der Klang war … seltsam.
    Das Licht begann schwächer zu werden, und Coppelstone beeilte sich, vollends durch den Vorhang zu treten und die Treppe hinabzusteigen. Auf der letzten Stufe zögerte er noch einmal, nahm aber dann all seinen Mut zusammen und trat entschlossen in den Tunnel hinein.
    Zur Linken herrschte absolute, vollkommene Dunkelheit. Der Tunnel konnte sich dort noch zehn Schritte weit erstrecken, oder auch zehn Meilen. Auf der anderen Seite jedoch gewahrte er rötlichen Feuerschein, in dessen Flackern er die Umrisse dunkler, spitze Kapuzen tragender Gestalten ausmachen konnte, die sich langsam entfernten. Ihre Stimmen waren jetzt lauter, aber immer noch nicht deutlicher zu verstehen, und eigentlich klang es auch eher wie ein Gesang, düster, atonal und in einer Sprache, die er noch nie zuvor gehört hatte, deren bloßer Klang ihm jedoch Unbehagen bereitete.
    Er schätzte, dass die Männer ungefähr drei- oder vierhundert Schritte vor ihm waren; weit genug also, dass sie seine Schritte nicht hören konnten. Und die vollkommene Dunkelheit, die ihn umgab, verlieh ihm auch zuverlässigen

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