Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
hatte, der aus der grob behauenen Decke ragte, kam er endlich auf die Idee, eine Hand in Kopfhöhe auszustrecken und etwas langsamer zu gehen.
    Nach ungefähr dreißig Schritten machte der Tunnel einen rechtwinkeligen Knick, und als er ihm folgte, sah er Licht. Es war jedoch kein Tageslicht, sondern ein bleicher grünlicher Schein, und er kam auch nicht vom Ende des Tunnels, sondern aus einem gut zwei Fuß messenden, kreisrunden Loch im Boden. In dem blassen Licht, das von den Wänden reflektiert wurde, sah er, dass es nicht das einzige Loch war. Der Boden war geradezu übersät mit unterschiedlich großen Öffnungen. Es war pures Glück, dass er bisher nicht in eine dieser Fallgruben hineingetreten war und sich verletzt hatte.
    Vorsichtig näherte er sich der Öffnung, ließ sich auf Hände und Knie herab und spähte hinein. Der Schacht war vielleicht zwanzig Fuß tief und endete ungefähr zehn Fuß über dem Boden eines anderen Tunnels. Die Stimmen kamen von dort unten.
    Allerdings schien es keine Möglichkeit zu geben, in diesen anderen Gang hinabzugelangen. Die Distanz war entschieden zu groß, um zu springen, und es gab nichts, woran er sich festhalten konnte. Die Wände des Schachtes waren so glatt, als wären sie in den Fels hineingeschmolzen worden.
    Coppelstone überlegte eine geraume Weile. Er hätte zurückgehen können, aber das hätte wahrscheinlich bedeutet, dass er die gesamte Nacht auf die Rückkehr der Prozession warten musste – und außerdem unverrichteter Dinge wieder nach Magotty zurückkehrte, was seine Situation auch nicht unbedingt verbesserte. Und er musste dieses Rätsel lösen. Möglicherweise hing sein Leben davon ab.
    Coppelstone drehte sich um, stemmte die Füße gegen die gegenüberliegende Wand des Schachtes und ließ sich vorsichtig hineingleiten. Wie ein Bergsteiger, der einen Kamin erklimmt, indem er sich mit Beinen und Rücken abstützt, glitt er Stück für Stück weiter in die Tiefe; eine Fortbewegungsart, die überraschend gut funktionierte, aber auch enorm viel Kraft kostete.
    Das letzte Stück des Weges musste er wohl oder übel springen. Er hatte sich verschätzt, als er den Tunnel von oben betrachtet hatte: Sein Durchmesser betrug nicht zehn, sondern mindestens fünfzehn Fuß, und er war ebenso glatt und perfekt geformt wie der Stollen, dem er oben gefolgt war.
    Coppelstone zögerte. Fünfzehn Fuß in die Tiefe zu springen war mehr, als er sich zutraute, doch er hatte keine Wahl. Seine Kraft reichte nicht aus, um auf die gleiche Weise wieder nach oben zu klettern. Er atmete noch einmal tief ein und ließ los.
    Er kam auf beiden Füßen auf, ließ sich nach vorne kippen und zehrte die größte Wucht des Aufpralles mit einer anderthalbfachen Rolle auf. Hastig sprang er wieder hoch, machte zwei rasche Schritte und blieb schwer atmend stehen. Ihm war ein wenig schwindelig, und in seinen Fußknöcheln war ein leicht taubes Gefühl, aber im Großen und Ganzen schien er den Sturz halbwegs unbeschadet überstanden zu haben.
    Der Gang war in beiden Richtungen von jenem sonderbaren phosphoreszierenden grünen Licht erfüllt, das er von oben gesehen hatte. Es stammte von zahllosen Flecken einer merkwürdigen, moosartigen Flechte, die die Wände überzog wie leuchtender Ausschlag. Coppelstone hatte davon gehört, dass es gewisse Moosarten geben sollte, die im Dunkeln leuchteten, sie aber noch nie mit eigenen Augen gesehen. Er hätte sich auch nicht vorstellen können, dass ihr Leuchten so intensiv war. Das Licht, das den Tunnel erfüllte, war hell genug, um ein Buch lesen zu können.
    Die Stimmen waren lauter geworden. Coppelstone sah zu seiner Erleichterung keine anderen Menschen, gewahrte jedoch in beiden Richtungen eine Anzahl weiterer, großer Öffnungen in den Tunnelwänden. Er entschied sich willkürlich dafür, nach links zu gehen, und spähte in die erste hinein.
    Er hatte einen weiteren Gang erwartet, doch was er sah, versetzte ihn in großes Erstaunen. Auf der anderen Seite der Wand lag eine große, unregelmäßig geformte Höhle, deren Wände ebenfalls mit der leuchtenden Flechte bedeckt waren.
    Sie war nicht leer. Er entdeckte einige direkt aus dem Felsen herausgemeißelte Absätze, die offensichtlich als Bettstellen dienten, denn er sah Decken und Kissen darauf – auch wenn es sich eigentlich eher um zerschlissene Lumpen handelte. Auch überall sonst gewahrte er Spuren von menschlicher Anwesenheit: Kleider, Geschirr, Essensreste und andere Dinge. Von den Bewohnern

Weitere Kostenlose Bücher