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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schutz vor jeder Entdeckung.
    Coppelstone löste sich endgültig von seinem Platz und folgte der unheimlichen Prozession.

15
    Der Weg war länger, als Coppelstone erwartet hatte. Sehr, sehr viel länger. Um nicht vollends die Orientierung zu verlieren, hatte er angefangen, seine Schritte zu zählen, war jedoch das erste Mal bei fünfhundert und das zweite Mal ein gutes Stück jenseits der Tausend durcheinandergekommen und hatte es schließlich aufgegeben. Alles in allem schätzte er, dass er gute zwei oder auch drei Meilen zurückgelegt haben musste, bevor die Prozession endlich anhielt.
    Sein Erstaunen über diesen unterirdischen Tunnel wuchs mit jedem weiteren Schritt. Dieses Gebilde konnte auf keinen Fall natürlichen Ursprungs sein, denn es war vollkommen ebenmäßig geformt; ein perfektes Rund mit einem Durchmesser von gut fünfzehn Fuß, dessen Wände so glatt wie polierter Marmor waren und sich so hart anfühlten wie Glas. Weiter vorne, wo die Kuttenträger waren, warfen sie das Licht der Fackeln in verwirrenden Reflexen zurück, was den Tunnel mit unentwegter Bewegung und tanzenden Schatten zu erfüllen schien, und die gekrümmten Wände hatten auch eine eigenartige akustische Wirkung. Sie fingen jeden noch so winzigen Laut auf und warfen ihn vielfach verstärkt, doch zugleich auch auf unheimliche Weise verzerrt und gebrochen, zurück, als hätten Töne hier eine andere Wirkung als in der Welt außerhalb dieses Stollens.
    Coppelstone musste sich jedoch keine Sorgen machen, dass ihn das Geräusch seiner Schritte eventuell verriet. Die Kuttenträger hatten die ganze Zeit über nicht in ihrem Gesang innegehalten. Er konnte immer noch nicht verstehen, was die Worte bedeuteten, war aber mittlerweile zu der Auffassung gelangt, dass es sich nicht nur um sinnlose Laute handelte, wie er im ersten Moment angenommen hatte. Vielmehr war es eine Sprache, wenn auch eine, die kaum menschlich klang; ja, nicht einmal, als wäre sie für menschliche Sprachwerkzeuge gedacht.
    War das vielleicht die wahre Erklärung für alles, was er hier sah und erlebte? Reeves’ Worte waren ihm die ganze Zeit über nicht vollends aus dem Sinn gegangen: Dinge, die schon da waren, lange bevor es Menschen gab … Was, überlegte er, wenn der Reverend mit dem, was er, Coppelstone, in diesem Moment noch für abergläubisches Gerede gehalten hatte, der Wahrheit näher gekommen war, als er vielleicht selbst ahnte? Dieser Tunnel war eindeutig zu groß, um von Buchanan und den Leuten aus Magotty angelegt worden zu sein. Selbst mit vereinten Kräften hätten sie Jahrzehnte dazu gebraucht, gar nicht davon zu reden, dass sich Coppelstone kein Werkzeug vorstellen konnte, mit dem man Felsgestein so perfekt bearbeiten konnte, wie es hier geschehen war. Was also, wenn dies tatsächlich die Hinterlassenschaft einer uralten, vielleicht nicht einmal menschlichen Kultur war, die vor Äonen untergegangen war und auf deren Reste die ersten Siedler gestoßen waren, die in dieses Land kamen?
    Coppelstone hatte niemals an Geschichten von Atlantis, Mu oder Lemuria geglaubt und er gehörte nicht einmal zu denen, die ernsthaft daran glaubten, dass es auf anderen Himmelskörpern Leben geben konnte. Für ihn war die göttliche Schöpfung etwas Einmaliges und bisher jeder Gedanke daran, dass es noch etwas anderes, möglicherweise sogar Größeres geben mochte, einfach grotesk. Doch was er hier sah – er fand keine wirkliche Erklärung dafür. Zumindest keine, die er im Augenblick akzeptieren konnte.
    Aber schließlich war er ja auch hier, um dieses Rätsel zu lösen.
    Coppelstone war so sehr in seine Gedanken versunken, dass ihm zuerst gar nicht auffiel, dass die Prozession vor ihm angehalten hatte. Er blieb erst stehen, als er sich ihr bis auf weniger als fünfzig Schritte genähert hatte – immer noch gute dreißig Schritte außerhalb des Bereiches flackernder roter Helligkeit, den die Fackeln aus der ewigen Nacht hier unten rissen, und nicht in Gefahr, entdeckt zu werden, aber doch nahe genug, um jetzt mehr Einzelheiten zu erkennen. So sah er zum Beispiel, dass die Tunnelwände nicht ganz so gleichmäßig waren, wie er bisher geglaubt hatte: Hier und da gab es kleinere, ebenfalls kreisrunde Stollen, die im rechten Winkel in den Haupttunnel mündeten, manche nur einen Fuß im Durchmesser, andere aber auch groß genug, dass ein Mensch gebückt hineintreten konnte. Offensichtlich befand er sich nicht einfach in einem Stollen, sondern im Herzen eines ganzen

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