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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und Rundungen schienen allesamt falsch, ohne dass er genau sagen konnte, wieso. Kein Fenster glich dem anderen, keine Tür war ebenso hoch oder breit wie die benachbarte, und es schien Winkel mit mehr als dreihundertsechzig und Parallelen mit weniger als null Grad zu geben. Es war, als wäre diese gesamte, archaische Stadt nach den Regeln einer anderen als der euklidischen Geometrie erbaut worden. Da waren Türme, auf halber Höhe abgebrochen, aber noch immer gigantisch, die auf unmögliche Weise in sich selbst gebogen zu sein schienen, rechteckige Gebäude mit mehr als vier Winkeln und parallel verlaufende Wände, die sich mehrmals schnitten. Er sah nirgendwo Treppen, wohl aber hier und da gewaltige schräge Rampen, wie für riesige Schnecken oder andere kriechende Kreaturen erbaut, und einige Gebäude klebten gar gewaltigen Vogelnestern gleich an den Wänden, als wären sie für fliegende Bewohner errichtet.
    Coppelstone stand minutenlang einfach da und starrte fassungslos auf das phantastische Bild hinab, das sich ihm bot. Er wusste nicht, was er da sah. Er wagte nicht einmal zu vermuten, was er da vor sich hatte. Er wusste nur eines, das aber mit absoluter Gewissheit: dass er vielleicht eines der phantastischsten Geheimnisse dieser Welt entdeckt hatte.
    Und wahrscheinlich das düsterste.
    Erst nach langer Zeit bemerkte er, dass sich am Grunde der zyklopischen Straßenschluchten Gestalten bewegten. Vor den riesigen Gebäuden wirkten sie winzig, krabbelnde Insekten, die sich in eine Stadt der Giganten verirrt hatten, und soweit er das über die große Entfernung beurteilen konnte, schienen sie allesamt auf die gleiche monströse Art verkrüppelt zu sein wie Morrison, Francis und die unheimliche Gestalt, der er gerade begegnet war. Es waren sehr viele – zwanzig, wenn nicht dreißig oder mehr, und die meisten waren mit Dingen beschäftigt, deren Sinn er nicht begriff.
    Er sah auch wieder die großen, bleichen Wurmkreaturen, die Karlsson getötet hatten. Die Menschen dort unten jedoch schienen keine Angst vor ihnen zu haben. Im Gegenteil: Etliche von ihnen waren mit den schwarzen Eisenstangen ausgerüstet, die er schon kannte und mit denen sie die Würmer behutsam, aber doch nachdrücklich vor sich hertrieben, wie Schäfer eine Herde.
    Ihr Ziel war ein unregelmäßig geformter Platz in der Mitte der Stadt, auf dem sich eine zyklopische Statue aus weißem Stein befand. Ob sie ein mythisches Wesen oder irgendeine Kreatur darstellte, die tatsächlich einmal gelebt hatte, vermochte Coppelstone nicht zu sagen, doch ihr Aussehen war so fremdartig und abstoßend, dass er kein zweites Mal hinsah.
    Zu den Füßen dieser Statue befand sich ein schwarzer, kreisrunder See. Seine Oberfläche schimmerte matt im fahlgrünen Licht, das die Höhle erfüllte, und war in beständiger Bewegung, als striche ein sanfter Wind darüber – oder als bewegte sich etwas Großes tief darunter. Die Männer trieben die Würmer in einer langsamen Prozession darauf zu. Coppelstone fiel auf, dass sie immer nachhaltiger von ihren Eisenstäben Gebrauch machen mussten, je näher sie dem schwarzen See kamen. Letztlich waren immer zwei oder drei von ihnen notwendig, um die widerwärtigen Kreaturen gewaltsam in den See hineinzustoßen, wo sie sich für einen Moment wie toll wanden, ehe sie in seiner Tiefe versanken. Sie tauchten nicht wieder auf.
    Er musste herausbekommen, was dort vor sich ging!
    Coppelstone trat einen weiteren Schritt vor und hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren, als der Boden unter ihm nachgab. Erschrocken prallte er zurück und hielt sich an der Felswand fest, ehe er den Blick senkte. Zu seinen Füßen polterte eine Miniaturlawine auf den Höhlenboden hinunter, die jedoch nicht aus Felsen oder Geröll bestand. Ebenso wenig wie die gewaltige Halde, auf deren Kuppe er stand.
    Es waren Knochen. Menschliche Gebeine, Tierknochen, aber auch die Überreste von Kreaturen, wie sie vielleicht noch kein Mensch auf dieser Welt gesehen hatte. Es mussten Millionen von Knochen sein, wenn nicht Milliarden. Schädel, Rippen, Arm- und Beinknochen, Kiefer und Schulterblätter, aber auch andere, erschreckende Dinge, die unaussprechlichen Kreaturen gehört haben mussten. Vielleicht Geschöpfen von so absurder Größe und so absurdem Aussehen wie denen, die Modell für die riesige Statue über dem See gestanden hatten …
    Coppelstone verspürte ein fast ehrfürchtiges Frösteln, als er sich vorzustellen versuchte, wie lange es dauern musste,

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