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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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machte einen erschrockenen Sprung, als er sah, dass sie schwarze, in spitzen Kapuzen endende Kutten trugen.
    »Gehnse weita«, flüsterte Morrison. »Gehnsewich! Huplnse!«
    Coppelstone verstand nun endgültig nicht mehr, was Morrison meinte, doch er ließ ganz instinktiv Kopf und Schultern sinken, zog den linken Arm ein wenig an den Körper und das rechte Bein hinter sich her. Er kam sich ziemlich albern vor, als er so weiterhumpelte, und er war sicher, dass seine närrische Pantomime niemanden auch nur eine Sekunde lang täuschen konnte. Doch sie passierten die Männer in den schwarzen Kutten in weniger als zehn Schritten Abstand, ohne dass diese sie auch nur eines Blickes würdigten.
    Er atmete erleichtert auf, als sie das Haus betraten und Morrison die Tür hinter sich schloss. Morrison entzündete eine Petroleumlampe und wollte sofort weitereilen, doch Coppelstone hielt ihn mit einer raschen Bewegung am Arm fest. »Wo ist Reeves?«, fragte er. »Ist er noch am Leben? Wird er hier irgendwo gefangen gehalten?«
    Morrison riss sich los und deutete mit einer ungeduldigen Bewegung auf die Treppe, die am anderen Ende des Raumes nach oben führte. Er wirkte sehr erschrocken.
    »Da!«, sagte er. »Smüsn sch vsteckn! Skönn hekomm.«
    Offensichtlich fürchtete er, dass die Männer in den schwarzen Kutten hier hereinkommen könnten – oder das, was man Reeves angetan hatte, war so entsetzlich, dass er einfach nicht darüber reden wollte. Er riss sich jedenfalls vollkommen los und humpelte auf die Treppe zu, so schnell er konnte.
    Morrison bewegte sich trotz seiner Behinderung erstaunlich geschickt und, wie Coppelstone auffiel, so gut wie lautlos. Möglicherweise hatte er einen Grund dafür. Im Haus war es zwar vollkommen still, doch das bedeutete nicht, dass es auch leer sein musste. Coppelstone zog es jedenfalls vor, ihm auf den Zehenspitzen nachzugehen, und sorgsam darauf zu achten, dass die uralten Holzstufen unter seinen Schritten nicht knarrten. Er folgte ihm bis zu einer winzigen Kammer im Dachgeschoss des Hauses, die nur ein einzelnes, schmales Fenster aufwies und bis auf ein mit Lumpen bedecktes Bett und einen einzelnen Stuhl vollkommen leer war.
    »Hia!« Morrison deutete auf das Bett. »Watense hia. Sicha.«
    »Sie meinen, ich bin hier sicher?«, vergewisserte sich Coppelstone. »Niemand wird mich hier finden?«
    »Skomm nich hiehea«, bestätigte Morrison. »Smei Zimma.«
    Dieser ärmliche … Stall war Morrisons Zimmer? Coppelstone war erschüttert, aber auch empört. Buchanan und seine Helfer schienen die Menschen auf dieser Farm tatsächlich wie die Tiere zu halten.
    »Wie lange soll ich hier warten?«, fragte er.
    »Tag«, antwortete Morrison. »Sfürchtns Sonnlich. Komm nich raus am Tag. Mogn bringt Francisse wech.«
    Er wollte gehen, doch Coppelstone streckte rasch den Arm aus und schlug die Tür zu. »Einen Moment noch, Mister Morrison«, sagte er.
    Morrison sah ihn an. Er schwieg, doch Coppelstone konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Sein Anblick bereitete ihm plötzlich gar kein Unbehagen mehr, so schlimm er auch aussah. Ganz im Gegenteil – er empfand auf einmal tiefes Mitleid mit diesem bedauernswerten Mann und einen großen Respekt vor dem Mut, den Morrison mit seinem Tun bewies.
    »Warum tun Sie das, Mister Morrison?«, fragte er. »Sie riskieren Ihr Leben, um mich zu retten.«
    Morrison schwieg. Es war unmöglich, in seinem Gesicht zu lesen, doch Coppelstone spürte deutlich den Sturm von Gefühlen, der hinter seiner Stirn tobte.
    »Francis ist Ihr Sohn, nicht wahr?«, fragte er.
    Morrison nickte. Eine einzelne Träne quoll aus seinem Auge und lief an seinem Kinn herab. Coppelstone wollte nichts weniger, als diesem Mann wehzutun, doch er musste Gewissheit haben.
    »Wenn das stimmt, dann müsste er über siebzig Jahre alt sein«, sagte er. Morrison antwortete auch darauf nicht, und nach einer weiteren Weile fragte Coppelstone leise: »Wie alt sind Sie, Mister Morrison?«
    »Hundertneunundzwanzig«, antwortete Morrison. Er sprach jetzt ganz langsam, aber auch sehr deutlich. Er gab sich Mühe, die Worte schon fast übermäßig zu artikulieren; vielleicht, weil ihm das, was er Coppelstone zu sagen hatte, so überaus wichtig war. »Es dauert lange, bis man ihm … ganz gehört. Aber der Preis ist … hoch. Es muss … aufhören. Zu viele Tote. Zu viele.«
    »Ich werde es beenden«, versprach Coppelstone. »Wenn ich hier herauskomme, dann ist dieser Spuk in vierundzwanzig Stunden

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