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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen solchen Berg von Gebeinen aufzutürmen. Jahrtausende reichten nicht aus; nicht einmal annähernd. Vielleicht nicht einmal Tausende von Jahrtausenden.
    Was hatte Reverend Reeves gesagt? Lange bevor es Menschen auf dieser Welt gab …
    Der Gedanke an Reeves brachte ihn wieder zu dem eigentlichen Grund seines Hierseins zurück. So phantastisch seine Entdeckung auch sein mochte, es gab über ihm dringendere Probleme, die einer Lösung bedurften. Er hoffte wenigstens, dass Reeves noch am Leben war.
    Nach einem letzten, nachdenklichen Blick auf die bizarre Ruinenstadt und ihre nicht weniger bizarren Bewohner drehte er sich herum und trat wieder durch den Spalt im Fels. Als er sich aufrichtete, blickte er in die Mündung einer doppelläufigen Schrotflinte.

16
    Für die Dauer eines schweren, fast schmerzhaft harten Herzschlages wagte er nicht einmal zu atmen und auch nicht, den Blick von den Gewehrläufen zu nehmen, und für die gleiche Zeitspanne war er felsenfest davon überzeugt, dass dieser Anblick das Letzte sein würde, was er in seinem Leben sah.
    Als der alles beendende Knall nicht kam, wanderte sein Blick langsam an dem schwarzen Metall entlang, glitt über einen plump verwachsenen Zeigefinger, einen deformierten Arm und eine missgestaltete Schulter hinauf und blieb schließlich auf Morrisons Gesicht hängen.
    »Worauf warten Sie?«, fragte er trotzig. »Wenn Sie mich erschießen wollen, dann tun Sie es!«
    Morrison starrte ihn ausdruckslos aus seinem einzelnen, wässrig schimmernden Auge an. Coppelstone war nicht ganz sicher, ob er seine Worte überhaupt verstanden hatte – und er war ganz und gar nicht sicher, wie er reagieren würde. Seine Gedanken rasten. Er stand nahe genug, um das Gewehr mit einem raschen Griff zu packen, und er fühlte sich durchaus in der Lage, mit diesem bedauernswerten Krüppel fertig zu werden. Andererseits war die Höhle einfach zu klein, um einen Kampf zu riskieren. Wenn Morrison abdrückte, dann konnte er ihn praktisch nicht verfehlen – und selbst wenn das der Fall war, würde der Schuss die anderen Bewohner dieser unterirdischen Welt alarmieren. Es war sicherer, er wartete auf eine bessere Gelegenheit Morrison zu überwältigen.
    »Stunse hia?«, fragte Morrison plötzlich. »Sinse vrückt gwon? Chatse gewaant, ssollnich wiedakomm!«
    Im ersten Moment hatte Coppelstone enorme Schwierigkeiten, Morrisons Worte überhaupt zu verstehen. Tatsächlich verstand er sie nicht wirklich, sondern rekonstruierte ihren Sinn gewissermaßen im Nachhinein anhand ihrer Abfolge und ihres Rhythmus, sodass zwei oder drei Sekunden vergingen, bis er antworten konnte.
    »Ich bin manchmal etwas stur«, antwortete er. »Was haben Sie vor? Mich erschießen?«
    Morrison machte eine ärgerliche Bewegung mit dem Gewehr. »Schein lebensmüde zsen, Mista. Wnsese rwischn, tötensese. Wech hia. Und kein Laut!«
    Das verstand Coppelstone nun wirklich kaum noch, doch Morrison trat einen halben Schritt zurück und machte eine eindeutige Bewegung mit dem Gewehr. Coppelstone zuckte mit den Schultern, hob die Arme und ging an ihm vorbei die Treppe hinauf. Morrisons Gewehrlauf bohrte sich zwischen seine Schulterblätter, aber er ersparte sich jeden Kommentar. Es hatte wenig Sinn, Fragen zu stellen, wenn man die Antworten nicht verstand.
    Als sie das Ende der Treppe erreichten, gab Morrison ihm mit einem derben Stoß zwischen die Schultern zu verstehen, dass er stehen bleiben sollte. Coppelstone gehorchte und registrierte zu seiner Verblüffung, wie Morrison mit raschen Schritten an ihm vorbeihumpelte, einen Schritt weit auf den Gang hinaustrat und sich sichernd in beide Richtungen umsah, ehe er ihm hastig gestikulierte nachzukommen. Die Gelegenheit wäre günstig gewesen, ihm die Waffe zu entreißen, aber er war viel zu überrascht.
    Mit einem raschen Schritt trat er neben ihn. Morrison hob die Waffe nicht wieder, sondern deutete hastig gestikulierend nach links und legte dann den Zeigefinger über die Lippen. So schnell er konnte, humpelte er los, und er entwickelte trotz seiner Behinderung ein erstaunliches Tempo. Coppelstone musste beinahe rennen, um mit ihm Schritt zu halten. Sie passierten mehrere Durchgänge, hinter denen sich weitere Wohnhöhlen befanden, und erreichten nach einer Strecke von gut hundert Schritten eine weitere Treppe, die in halsbrecherischem Winkel in die Höhe führte. Morrison deutete darauf und schien zu erwarten, dass Coppelstone vorging. Er gehorchte.
    Die Treppe führte in engen

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