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Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Windungen steil nach oben, wie die Stiege in einem schmalen Kirchturm. Trotz seiner Verwirrung gelang es Coppelstone diesmal, die Stufen zu zählen. Er war bei vierhundertachtzig angekommen, als er einen grauen Lichtschein über sich gewahrte – was bedeutete, dass sie sich annähernd dreihundert Fuß tief unter der Erde befunden haben mussten! Das unterirdische Labyrinth, das sich unter der scheinbar so friedvollen Oberfläche der Landschaft nahe Magotty erstreckte, musste wahrhaft gigantisch sein!
    Die Treppe endete vor einer rohen Lattentür, durch deren Ritzen graues Licht und ein schwacher, aber vertrauter Geruch strömten. Als er sie öffnete, fand er sich in einer großen, vollkommen leeren Scheune wieder. Auf dem Boden lag vermodertes Stroh, und er roch den typischen, ein wenig scharfen Stallgeruch, wie man ihn an einem Ort wie diesem erwartete. Konnte es möglich sein, dass sie …?
    »Die Farm!«, flüsterte er. »Wir sind auf Ihrer Farm, Morrison!«
    Morrison nickte, sagte aber nichts, sondern humpelte an ihm vorbei auf das Scheunentor zu. Coppelstone folgte ihm rasch. Morrison öffnete das Tor einen winzigen Spalt, und als Coppelstone über seine Schulter hinweg ins Freie blickte, sah er seinen Verdacht bestätigt. So unglaublich ihm der Gedanke selbst jetzt noch vorkam – der unterirdische Stollen, der unter der Kirche von Magotty begann, hatte ihn bis zu Morrisons Farm geführt, also über eine Strecke von gut fünf Meilen!
    Morrison öffnete die Tür weiter, legte erneut den Zeigefinger über die Lippen und trat ins Freie. Coppelstone folgte ihm, als er losging und den Durchgang in dem Erdwall ansteuerte, der das gesamte Anwesen umgab. Er versuchte erst gar nicht, es zu verstehen, aber Morrison gab sich offensichtlich größte Mühe, ihm zu helfen!
    Während sie den Hof überquerten, sah er sich schaudernd um. Jetzt, in der Nacht und aus der Nähe und vor allem mit seinem neu erworbenen Wissen betrachtet, wirkte die Farm noch viel unheimlicher. Alle Gebäude kamen ihm missgestaltet und verzerrt vor, als wären sie auf einer mit menschlichen Sinnen kaum zu erfassenden Ebene ebenso verkrüppelt wie ihre Bewohner. Vor allem der gewaltige Turm des Getreidesilos flößte ihm ein beinahe körperliches Unbehagen ein. Er überragte sämtliche Gebäude der Farm um ein Mehrfaches, und etwas Düsteres, spürbar Bedrohliches ging von ihm aus. Coppelstone fühlte sich wie von unsichtbaren Augen angestarrt, und nicht zum ersten Mal spürte er die Präsenz von etwas Uraltem, unvorstellbar Bösem, das unsichtbar über der Farm zu schweben schien wie ein übler, alles durchdringender Geruch.
    Sie hatten die halbe Strecke zum Erdwall hinter sich gebracht, als Morrison plötzlich stehen blieb und die Hand hob. Auch Coppelstone lauschte, und nach ein paar Sekunden vernahm er ein Geräusch, das seine gerade eben vorsichtig aufkeimende Hoffnung jäh wieder zunichtemachte: Hundegebell. Es war noch sehr weit entfernt. Der Wind trug es über viele Meilen mit sich heran, aber es war da, und es kam näher. Wenigstens bildete er sich das ein.
    »Dammt!«, fluchte Morrison. »Ham Hundeviecha! Skönn nich wech.«
    Coppelstone hätte ihm gerne widersprochen, doch er konnte es nicht. Selbst wenn die Hunde tatsächlich noch Meilen entfernt waren, würden sie ihn zweifelsfrei wittern, sobald er die Farm verließ. Seine Lage war aussichtslos.
    »Haben Sie ein Automobil?«, fragte er.
    Die Antwort bestand genau aus dem, was er erwartet hatte: einem Kopfschütteln. »Keene Maschin«, sagte Morrison. »Da Wyrm duld keene Maschin in seina Näh.«
    Sein Sprachfehler war schlimmer geworden. Und nicht nur das: Jetzt, als Coppelstone sein Gesicht nicht mehr im farben- und konturenverwischenden grünen Licht der unterirdischen Stollen betrachtete, meinte er auch, noch mehr, schlimmere Veränderungen zu entdecken. Das Gewächs, das eine Hälfte seines Gesichtes bedeckte, hatte sich deutlich vergrößert und arbeitete sich nun auch auf sein anderes Auge zu. Seine Nase war vollkommen verschwunden, und er konnte den Mund nur noch zur Hälfte bewegen. Kein Wunder, dachte Coppelstone, dass er kaum noch in der Lage war, verständlich zu sprechen.
    »Srück zm Haus«, sagte er. »Rasch. Ehsa hiasin.«
    Er wandte sich um und humpelte geradewegs auf das Wohnhaus zu. Coppelstone folgte ihm. Sie hatten jedoch erst wenige Schritte gemacht, als sich in einem anderen Gebäude eine Tür öffnete und drei oder vier Gestalten heraustraten. Coppelstones Herz

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