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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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den Duft von Holz und Blättern mit sich, der für kurze Zeit den fauligen Geruch in seiner Nase vertrieb. Er schaute nach oben – und schnappte nach Luft.
    Ein Baum rotierte majestätisch und beschaulich am Himmel. Sein Stamm befand sich höchstens fünfzig Meter über ihm.
    Seit seiner Verbannung aus dem Gürtel hatte Gord keinen Baum mehr gesehen. Einige von den Boneys hatten vielleicht in ihrem ganzen Leben noch keinen zu Gesicht bekommen.
    Ein Mann baumelte kopfüber am Baum. Er war dunkelhaarig, schlank und kam Gord irgendwie bekannt vor. Er winkte. »Gord? Bist du das…?«
    »Rees? Das kann nicht sein… Du bist doch tot. Oder nicht?«
    »Man erzählt mir laufend, daß ich es eigentlich sein müßte«, sagte Rees lachend.
    »Du hast deinen Sprung auf den Wal überlebt?«
    »Mehr als das… Ich bin sogar wieder zum Floß zurückgekehrt.«
    »Du machst Witze.«
    »Es ist eine lange Geschichte. Ich komme extra vom Floß, um mit dir zu reden.«
    Gord schüttelte den Kopf und und breitete die Arme aus, um die Kontur des Knochensacks anzudeuten, der seine Welt war. »Wenn das stimmt, mußt du verrückt sein. Warum bist du zurückgekommen?«
    »Weil ich deine Hilfe brauche…«, rief Rees.

13

    DAS PLATTENSCHIFF FLOG AUF WOLKEN aus Dampf dem Gürtel entgegen. Sheen und Grye standen am Eingang der Quartiermeisterei und beobachteten, wie das mit einer Ladung Boneys besetzte Gerät zur Landung ansetzte. Sheen fühlte Furcht in sich aufsteigen, und sie erzitterte.
    Sie wandte sich Grye zu. Als der Wissenschaftler damals vom Floß hierher in die Verbannung geschickt wurde, war er in Sheens Erinnerung recht stattlich gewesen; doch jetzt schlackerte die Haut in Falten um seine Knochen, als ob er jede Substanz verloren hätte. Er registrierte, wie sie ihn beobachtete, ließ seine Trinkflasche von einer Hand zur anderen wandern und schlug die Augen nieder.
    »Wirst du etwa rot?« fragte Sheen.
    »Tut mir leid.«
    »Sei nicht so verdrießlich. Denk dran, daß du jetzt einer von uns bist. Die Vergangenheit zählt nicht mehr; wir sind hier alle Menschen. Es ist eine neue Welt. Nicht wahr?«
    Er wand sich unbehaglich. »Es tut mir leid…«
    »Hör auf damit.«
    »Es ist nur so, daß man die Hunderte von Schichten kaum vergessen kann, die wir seit unserer Ankunft hier zu erdulden hatten.« In seiner ruhigen Stimme schwang irgendwo ein Funken echter Bitterkeit mit. »Frag Roch, ob die Vergangenheit hinter uns liegt. Frag Cipse.« Jetzt spürte Sheen, wie sie selbst errötete. Widerwillig erinnerte sie sich an ihren Haß auf die Verbannten, wie sie es bewußt zugelassen hatte, sie weiter so grausam zu behandeln. Ein Gefühl der Scham kam in ihr auf. Nun, da Rees eine neue Perspektive geschaffen hatte – der ganzen Rasse, wie es schien, eine neue Chance gegeben hatte –, schienen solche Aktionen noch schlimmer als nur verachtenswert.
    Mit Mühe zwang sie sich zum Sprechen. »Wenn es dir etwas bedeutet: es tut mir leid.«
    Er antwortete nicht.
    Für einige Momente standen sie in verlegenem Schweigen da. Gryes Körperhaltung entspannte sich ein wenig, als ob er sich in ihrer Gegenwart jetzt etwas wohler fühlte.
    »Wenigstens«, meinte Sheen, »erteilt Jame dir beim Quartiermeister jetzt kein Hausverbot mehr.«
    »Man sollte auch die kleinen Freuden genießen.« Er nahm einen Schluck aus der Flasche und seufzte. »Vielleicht sind sie gar nicht so klein…« Er deutete auf die näherkommende Platte. »Ihr Mineure scheint uns jetzt viel eher akzeptieren zu können, seit die ersten Boneys angekommen sind.«
    »Verständlich. Vielleicht zeigt die Gegenwart der Boneys uns anderen, wieviel wir gemeinsam haben.«
    »Ja.«
    Wieder bewegte die Rotation des Gürtels die Quartiermeisterei unter die anfliegende Plattform. Sheen konnte erkennen, daß sich drei Boneys auf dem kleinen Fahrzeug befanden, zwei Männer und eine Frau. Sie waren untersetzt und vierschrötig und trugen zerschlissene Umhänge, die von der Bevölkerung des Gürtels gestiftet worden waren. Sheen hatte schon Geschichten über die Kleiderordnung auf ihrem Heimatplaneten gehört – und erschauerte von neuem.
    Der Gürtel diente als Zwischenstation auf dem Weg von der Knochenwelt zum Floß: Boneys, die zum Floß unterwegs waren, würden hier einige Schichten verbringen und dann auf einem Versorgungsbaum ihre Fahrt fortsetzen. Sheen dachte daran, daß sich zu keinem Zeitpunkt mehr als eine Handvoll Boneys verstreut auf dem Gürtel befand… doch die meisten Bergleute

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