Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
verrenkte den Hals und erhaschte einen Blick auf den zweiten Spline-Raumer, den er vorher schon gesehen hatte; er eskortierte das Schiff des Qax zum Portal, wobei er abwechselnd über und hinter ihm Position bezog. »Ist ja eine richtige Armada«, bemerkte er. »Nur zwei Schiffe?«
»Mehr werden auch nicht gebraucht. Die Menschheit vor fünfzehn Jahrhunderten wird keine Abwehrmöglichkeit gegen das Waffenarsenal eines Spline-Schiffes haben. Das zweite Schiff wird den Raumer dieser Rebellen aus deiner Gegenwart – dieser Freunde von Wigner – zerstören, während mein Schiff die Erde niederhält.«
Parz spürte einen Kloß in der Kehle. »Wie?«
»Sternenhammer-Strahlen.«
Parz schloß die Augen.
»Vielleicht wird deine Rache doch nicht so süß«, startete er einen Versuchsballon. »Was ist mit der Kausalität? Vielleicht löse ich mich sofort in Luft auf, wenn meine Vorfahren getötet werden. Und vielleicht gilt das auch für dich. Hast du schon mal darüber nachgedacht? Dann hätte sich die Zerstörung deiner Welt durch diesen Helden der Menschheit nämlich nie ereignet… und du hättest weder einen Grund noch die Mittel, in die Vergangenheit zu reisen und die Erde anzugreifen.« Aber, spann er den Faden weiter, wenn die Qax nicht in der Zeit zurück reisten, würden die Menschen überleben und die Welt der Qax am Ende doch vernichten… »Wir werden uns alle in einer Kausalitätenschleife verfangen, nicht wahr?«
»Jasoft Parz, die Kausalität läuft nicht nach einem derart simplen Muster ab. In einem solchen Fall können die verschiedenen Varianten parallel existieren, wie die durch eine Quantenfunktion ermittelten Wahrscheinlichkeiten. Aber nur eine dieser Wahrscheinlichkeiten wird sich schließlich zur Realität verdichten…«
»Bist du sicher?« fragte Parz grimmig. »Du sprichst davon, eine ganze Rasse zu vernichten… die Geschichte im kosmischen Maßstab umzuschreiben, Qax.«
»Ja, ich bin sicher. Mein Vorhaben besteht darin, alle Wahrscheinlichkeiten und alle Ausprägungen der Realität zu eliminieren, in denen die Menschheit überleben kann. Nach der Auslöschung eures Systems wirst du der einzige überlebende Mensch sein.«
»Und du und ich werden aufhören zu existieren«, ergänzte Parz grimmig.
»Nein«, widersprach das Qax. »Lediglich das Potential der Zeitachse, an der wir uns bisher entlangbewegt hatten, wird nicht mehr existieren. Wir werden Schiffbrüchige in der Zeit sein. Aber wenigstens werde ich meinen Auftrag ausgeführt haben.«
Ja, überlegte Parz, was es sagt, klingt plausibel. Es war mehr als Genozid. Die Qax planten nicht nur die Auslöschung der Menschheit, sondern auch die Eliminierung aller potentiellen Realitäten, in denen die Menschen hätten überleben können.
Die Kalkulation des Qax ging Parz mehr an sein abgestumpftes Herz als alles andere. Wie konnte ein fühlendes Wesen derart barbarische Szenarien erörtern – die Vernichtung ganzer Arten, Welten, Zeitachsen – in den Fachsprachen der kalten Logik und der Wissenschaft?
Verdammt, protestierte Parz innerlich; wir reden davon, ganze Spezies einfach auszupusten – das Potential von Abermilliarden ungeborener Individuen…
Aber wie immer mußte er zur Kenntnis nehmen, daß die Qax nichts taten, was die Menschen in der Vergangenheit nicht auch schon mit ihren eigenen Artgenossen versucht hatten.
»Parz, wir werden in Kürze in die Mündung des Wurmlochs eintauchen. Bereite dich auf Kausalitätenverzerrungen vor.«
»Kausalitätenverzerrungen?« Parz starrte in den hohlen, klaffenden Schlund des Wurmloch-Portals; die silbrig-goldenen Farbtönungen waren völliger Dunkelheit gewichen, die sich vor die Sterne legte. »Schau, Qax, du willst meine Heimatwelt zerstören. Und dennoch reduziert sich das Betreten dieses verdammten Wurmlochs für mich jetzt auf das Gefühl individueller Angst.«
»Ihr seid eine beschränkte Spezies, Jasoft Parz.«
»Vielleicht sind wir das. Vielleicht sind wir so auch besser dran.«
Ein Zittern lief durch den Spline; die Vibrationen des kilometergroßen Tieres wirkten auf Jasoft, der in der schwingungsdämpfenden entoptischen Materie eingelegt war, vergleichsweise wie ein leichter Erdstoß.
»Ich habe Angst, Qax.«
»Denke nur mal an meine Sorgen.«
Jetzt pulsierte der Spline permanent; Parz registrierte das als hochfrequente Vibration der entoptischen Flüssigkeit – kleine Wellen brandeten gegen sein Fleisch wie Insektenflügel – und im Hintergrund ertönte ein
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