Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
sie ruhiger. »Michael Poole, ich hätte Sie lieber als Verbündeten statt als Feind.«
Er lächelte sie an. »Dasselbe gilt für mich.«
Mit einer anmutig wirkenden Bewegung erhob sie sich. »Ich muß Rücksprache halten.« Dann ging sie, ohne ein weiteres Wort.
Poole und Berg stocherten in dem mittlerweile kalten Essen herum; Harry beobachtete sie durch einen Schleier statischer Elektrizität.
8
PARZ WAR ALLEIN. Er hatte sich zusammengerollt und trieb in der entoptischen Flüssigkeit des Spline.
»Jasoft Parz. Jasoft. Aufwachen!«
Parz rollte sich abrupt auf, wobei die Bewegung der Gliedmaßen durch die viskose Flüssigkeit und den hautengen Schutzanzug erschwert wurde. Er blinzelte, um den Schlaf aus den Augen zu vertreiben. Seine einzige Gesellschaft in der neun Quadratmeter großen Kammer, in der er untergebracht war, bestand aus einer Kugellampe; die durch seine Bewegungen aufgewühlte zähe Flüssigkeit warf elegante, wellenförmige Schatten an die Wand.
Für eine Sekunde war er desorientiert und konnte sich nicht erinnern, wo er war und warum er hier war; hilflos wie ein Fisch am Haken schlug er um sich und schwamm unbeholfen auf die nächste Wand zu. Wie transparente Nabelschnüre schlängelten sich Kabel hinter ihm her, durch die er mit einem an der Wand befestigten Metallkasten verbunden war.
»Parz. Bist du wach? Es ist Zeit.«
Die Stimme des Qax – des neuen Gouverneurs der Erde, dieses unangenehmen, mörderischen Qax aus der Zukunft – ertönte erneut, wirkte aber irgendwie beruhigend auf Parz, der sich an dicke Falten in der fleischigen Wand der Kammer gekrallt hatte; seine geteilte Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die Worte, und er erlangte einen Teil seiner Fassung zurück.
Weil er einen Frosch im Hals hatte, konnte er nur flüstern. »Ja, ich bin wach.«
»Ich werde das Augenlid hochziehen.«
»Bitte nicht.« Mit einem bizarren Anflug von Bescheidenheit wollte Jasoft erst volle Bereitschaft herstellen, bevor die Vorhänge seines provisorischen Schlafzimmers vorgezogen wurden. Er stieß sich von der Wand ab und betätigte einige der in den rechten Arm seines Schutzanzuges integrierten Schalter. »Gib mir noch eine Minute.«
Das Qax antwortete nicht; trotzdem konnte sich Parz seine Ungeduld vorstellen.
Parz’ Schutzanzug, eine dünne Baumwollmontur mit transparenter Beschichtung, war für höchste Strapazierfähigkeit ausgelegt. Jetzt spürte Parz, wie das Material leise auf der Haut raschelte; er hatte sich gesäubert, den Bart gestutzt sowie Fuß- und Fingernägel geschnitten. Ein Nippel fuhr aus der Innenseite des Helmvisiers aus, und eine eiskalte Flüssigkeit mit Apfelaroma träufelte in seinen Mund. Als er damit fertig war, öffnete er den Mund und unterzog sich einer Ultraschall-Zahnpflege.
Schließlich entleerte er die Blase und sah, wie der Fäkalienfilter zwecks Recycling durch die Schläuche zurück zu dem Kasten an der Wand transportiert wurde.
Nachdem Morgentoilette und Frühstück beendet waren, machte Parz ein wenig Gymnastik, um alle wesentlichen Muskelgruppen zu aktivieren. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dabei Rücken und Schultern; nach acht Stunden in einer Embryo-Position knirschte das obere Rückgrat – wo sich trotz der AS-Behandlung noch immer das Alter bemerkbar machte – wie steifes Pergament.
Als er auch damit fertig war, ging der Atem etwas tiefer, und er verspürte ein Prickeln, als die Blutzirkulation in der Haut wieder einsetzte. Illusionslos erkannte er, daß seine aktuelle Befindlichkeit ein Optimum darstellte, das er während des ganzen Tages nicht würde überschreiten können. Diese Anzüge erfüllten ihren Zweck zwar zufriedenstellend, konnten eine anständige Körperpflege aber nicht ersetzen: nach dem Aufwachen eine Dusche mit frischem Wasser, und ein Frühstück, in das man verdammt wirklich hineinbeißen konnte.
Diese Option hatte jedoch überhaupt nicht in seinem Ermessen gestanden. Genausowenig nämlich wie seine Involvierung in diese ganze verdammte Mission der Qax.
»Parz«, raspelte das Qax, »das waren jetzt fünf Minuten.«
Parz nickte. »Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich habe etwas Zeit gebraucht, um in die Gänge zu kommen.«
Das Qax schien das zu überdenken. »Parz, die nächsten paar Relativstunden könnten die bedeutendsten in der Geschichte unserer Völker werden. Du bist dazu ausersehen, der einzige Mensch deiner Epoche zu sein, der diese Ereignisse verfolgen darf. Und da hast du dir die Zeit für
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