Xeelee 3: Ring
menschliche Umwelt mit dem unglaublich lebensfeindlichen Herzen eines Neutronensterns verband.
»Aber warum?«
»Liegt das denn nicht auf der Hand?« knurrte Uvarov.
Mark lächelte sie an; offensichtlich wußte er die Lösung auch schon.
Sie kam sich träge, borniert und einfallslos vor. »Sagt’s mir einfach«, meinte sie niedergeschlagen.
»Lieserl«, erklärte Mark, »die Verbindung ermöglichte den Menschen, die diese Basis erbaut hatten, das Eindringen in das Innere des Neutronensterns. Ich vermute, daß sie Ausrüstung dort deponiert haben: Nanomaschinen, ’bots – vielleicht sogar Humanoide. Sie haben den Neutronenstern kolonisiert, Lieserl.«
Uvarov grummelte Zustimmung. »Mehr noch«, raspelte er. »Sie haben das verdammte Ding geschaffen.«
Geschlossene zeitgleiche Kurven, Seilspinnerin.
Der Nightfighter bewegte sich auf einer gekrümmten Bahn über den verschwommenen, relativistisch verzerrten Himmel; das System des Neutronensterns wirbelte wie eine strahlende Lichtorgel um Seilspinnerin. Hinter ihr peitschten die großen Schwingen des Nightfighters so heftig durch das All, daß Seilspinnerin fast glaubte, das Rauschen immenser, unglaublicher Federn zu hören.
Sie spürte, daß ihre Finger in den Handschuhen zitterten, die ihr plötzlich viel zu groß schienen. Aber Michael Pooles Hände lagen auf den ihren, groß und warm.
Das Schiff raste weiter.
Wir werden geschlossene zeitgleiche Kurven erzeugen…
Louise ignorierte den Protest ihres schmerzenden Rückens, richtete sich auf und stieß sich von der Oberfläche des Decks ab. Mit schmerzenden Beinmuskeln erhob sie sich in die Luft und ließ sich durch den Luftwiderstand wenige Meter über dem Deck abbremsen.
Früher war das mal ein Park gewesen, in der Nähe des Zentrums von Deck Zwei. Jetzt war der Park zur unteren Schicht eines improvisierten, dreidimensionalen Hospitals umgewandelt worden, und das lange Gras wuchs zwischen einer Schicht aus Körpern und medizinischen Ausrüstungen hervor. Eine viereckige Takelage war geknüpft worden, die sich von der Oberfläche des Decks neun Meter in die Höhe zog. Patienten waren locker in diesem Arrangement verankert worden; sie wirkten wie Blut- und Schmutzflecken in einer großen Wabe aus Luft, dachte Louise.
Nicht weit davon entfernt war ein Bündel von Körpern – leblos und in Decken gehüllt – in der Luft gesammelt und lose mit dem Gerüst eines ehemaligen Gewächshauses verbunden worden.
Zögernd kam Lieserl auf Louise zu. Sie streckte die Hand aus, als ob sie Louises ergreifen wollte. »Du solltest dich mal ausruhen«, meinte sie.
Louise schüttelte zornig den Kopf. »Keine Zeit.« Sie atmete tief durch, aber ihre Lungen füllten sich nur mit dem im Lazarett hängenden Gestank nach Blut und Urin. Sie hustete und fuhr sich mit einem Arm über die Stirn, wobei sie wußte, daß die Bewegung eine Spur aus Blut und Schweiß hinterlassen mußte. »Verdammt. Zur Hölle mit allem!«
»Komm schon, Louise. Du tust doch dein Bestes.«
»Nein. Das reicht nicht. Nicht mehr. Ich hätte für dieses Szenario, für eine Katastrophe in der Lebenskuppel Vorsorgen müssen. Lieserl, die Sache wächst uns über den Kopf. Wir haben alle AS-Behandlungsabteilungen in Lazarette umgewandelt, und wir haben noch zu wenig Kapazitäten. Schau dir nur dieses sogenannte Hospital an, das wir improvisieren mußten. So hätte es auch im Mittelalter aussehen können.«
»Louise, es gibt nichts, was du hättest tun können. Wir hatten einfach nicht die Ressourcen, um die Sache in den Griff zu bekommen.«
»Aber wir hätten sie haben müssen. Lieserl, die Ärzte und ’bots operieren hier in Dreierschicht. Dreierschicht, in meinem Raumschiff.«
Und es nutzte auch nichts, daß ich den größten Teil unserer Medo-Nanobots zur Hülle abgezogen hatte… Anstatt hier mit den Menschen zusammenzuarbeiten – über zerschmetterte Körper zu kriechen, geplatzte Blutgefäße zu nähen und zu verhindern, daß sich bakterielle Infektionen ausbreiteten – waren die Nanobots quasi zwangsverpflichtet worden – auf ihre Entscheidung hin –, über die hastig geflickten Breschen der Außenwandung zu kriechen, wobei sie versuchten, das aufgerissene Metall wieder in ein fugenloses Ganzes zu verwandeln.
Sie ballte die Hände zu Fäusten und grub die Fingernägel in die Handflächen. »Was, wenn die Xeelee uns jetzt beobachten? Was werden sie wohl von uns denken? Ich habe diese Menschen über einhundertfünfzig Millionen Lichtjahre
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