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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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geführt – und fünf Millionen Jahre –, nur um sie wie Tiere sterben zu lassen…«
    Lieserl sah Louise ins Gesicht, wobei sie die kleinen, festen Fäuste in die Hüften gestemmt hatte; ihr breiter Mund war von Falten gesäumt. »Das ist doch sentimentaler Schrott«, fauchte sie. »Ich muß mich über dich wundern, Louise Ye Armonk. Hör mir zu: Es geht hier nicht darum, wie du dich fühlst. Du willst überleben – und du versuchst einen Weg zu finden, der Rasse das Überleben zu ermöglichen.«
    Lieserls ernstes, faltiges Gesicht, mit der kräftigen Nase und den tiefliegenden Augen, erinnerte Louise plötzlich an eine überfürsorgliche Mutter. »Woher willst du denn schon wissen, wie ich mich fühle? Ich bin ein Mensch, verdammt. Und keine… keine…«
    »Künstliche Intelligenz?« Lieserl hielt ihrem Blick ungerührt stand.
    »Oh, verdammt, Lieserl. Es tut mir leid.«
    »Es ist schon gut, Louise. Du hast ja ganz recht. Ich bin ein Artefakt. Ich verfüge über viele nichtmenschliche Eigenschaften.« Sie lächelte. »Zum Beispiel habe ich in diesem Moment zwei Bewußtseins-Brennpunkte, die unabhängig voneinander funktionieren: Der eine hier, und der andere unten auf dem Planeten. Aber…« Sie seufzte. »Ich war einmal ein Mensch, Louise. Wenn auch nur kurz. So sehe ich es.«
    »Ich weiß, Lieserl. Entschuldigung.« Es war Louise noch nie leichtgefallen, Gefühle zu zeigen. »Du bist im Grunde eine der menschlichsten Personen, der ich jemals begegnet bin«, sagte sie mit Überwindung.
    Lieserl schaute sich in dem provisorischen Hospital um und lauschte dem Stöhnen der Verwundeten. »Louise«, sagte sie langsam, »ich verfüge über eine lange Perspektive. Erinnere dich an die Geschichte unserer Rasse. Unsere Zeitlinien stammen aus den Ozeanen, und Millionen Jahre ist die Erde um die Sonne gekreist. Dann, in einer kurzen, spektakulären Explosion der Kausalität, eruptierten die Zeitlinien in wilden Schnörkeln, im ganzen Universum. Die Menschheit war überall.
    Aber nun sind unsere Möglichkeiten begrenzt.«
    »Louise, all die potentiellen Pfade der Rasse – all die Zeitlinien, die von diesen alten Ozeanen der Vergangenheit ausgingen und über Millionen Jahre in eine unbekannte Zukunft ausgriffen –, alle haben sie sich zu einem einzigen Ereignis in der Raumzeit verdichtet: Hier, in diesem Schiff, jetzt. Und dieses Ereignis steht unter deiner Kontrolle.«
    Lieserls Gesicht stand jetzt groß vor Louise und füllte ihr Gesichtsfeld aus; Louise schaute in ihre weichen, verletzlichen Augen, und – eigentlich zum ersten Mal – bekam sie einen tiefen, unvermittelten Eindruck von Lieserls Persönlichkeit. Diese Frau ist wirklich alt – alt und weise.
    »Louise, du bist keine Frau – oder vielmehr, du bist mehr als eine Frau. Du bist ein Überlebensmechanismus. Der beste, der in diesem kritischen Augenblick von unseren Genen, unserer Kultur und unserem Verstand gefunden wurde. Wenn du nicht die Stärke gehabt hättest, die jetzt in dir ist, uns durch dieses kausale Tor in die Zukunft zu schicken, wärst du nicht ausgewählt worden. Aber du hast die Kraft weiterzumachen«, sagte Lieserl. »Einen Weg zu finden. Schau nach innen, Louise. Nutze diese Kraft…«
    Louise wurde von einem tiefen, fast schon im Infraschallbereich liegenden Stöhnen umgeben. Es kam ihr wie Donner vor.
    Es war das Geräusch von Metall, das unter extremer Belastung stand.
    Sie entfernte sich von Lieserl und drehte sich in der Luft um. Sie überflog den Abschnitt der Außenwandung, der von dem Stringbogen aufgeschlitzt worden war. Der Flicken, der auf der Bruchstelle angebracht worden war, schimmerte hell, wie frisch poliert, im Zentrum der grasbewachsenen Hülleninnenwand. Materialermüdung – ein weiteres Leck in der Lebenskuppel würde sie alle umbringen. Aber der Flicken vermittelte zumindest den Eindruck, als ob er dichthalten würde… nicht daß eine Sichtprüfung aus dieser Distanz etwa verläßliche Ergebnisse erbracht hätte.
    Wie aufs Stichwort materialisierte eine Projektion von Marks Kopf vor ihr. »Louise, es tut mir leid.«
    »Was ist los?«
    »Komm mit mir. Wir müssen reden.«
    »Nein«, sträubte sie sich. Plötzlich fühlte sie sich todmüde. »Keine Sprüche mehr, Mark. Ich habe schon genug Schaden angerichtet.«
    »Louise…«, sagte Lieserl hinter ihr warnend.
    »Ich habe dich verstanden, Lieserl.« Louise lächelte. »Aber das ist alles etwas zu mystisch für eine erschöpfte alte Ingenieurin wie mich. Ich werde

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