Xeelee 3: Ring
Bürokraten der Assimilationsperiode richtige Kontaktpersonen gewesen. Es war ihr äußerst wichtig gewesen, anderen ihre Eindrücke mitzuteilen – Wesen außerhalb ihres eigenen Sensoriums. Sie fragte sich, ob ein Mensch nicht verrückt werden mußte, wenn er für eine entsprechend lange Zeit ohne Kommunikationsmöglichkeiten war.
Aber dann rief sie sich wieder ironisch ins Bewußtsein, daß sie ja gar kein menschliches Wesen war…
Zum Teufel damit! Sie schloß die Augen und streckte sich. Dann führte sie eine langsame, gründliche Inventur ihres virtuellen Körpers durch. Sie bog die Finger, genoß das spezifische Gefühl arbeitender Sehnen und gestraffter Haut; sie krümmte den Rücken und spürte, wie sich die Beinmuskeln anspannten; sie bewegte die Füße hin und her, als ob sie für ein Himmelsballett trainierte und konzentrierte sich auf die langsame, geschmeidige Arbeit ihrer Knöchel und Zehen.
Sie war menschlich, nun gut, und sie war entschlossen, es auch zu bleiben – trotz der Art und Weise, wie sie von den Menschen während ihres kurzen, aber nach wie vor präsenten, körperlichen Lebens behandelt worden war. Was war sie denn anderes gewesen als ein Freak, ein Experiment, das schließlich eingestellt worden war.
Sie schuldete den Menschen nichts, sagte sie sich.
Vielleicht.
Aber erneut wurde sie von diesem verschütteten Drang zur Kommunikation überwältigt: Sie hatte das Bedürfnis, jemandem von all dem zu berichten, ihn zu warnen.
Doch sie wußte auch, daß diese Gefühle unlogisch waren. Seit die telemetrische Wurmlochverbindung deaktiviert worden war, verfügte sie ohnehin über keine Kommunikationsmöglichkeiten mehr. Und während sie geträumt hatte, hier im gefährdeten Herzen der Sonne, waren draußen im Sonnensystem fünf Millionen Jahre vergangen. Nach allem, was sie wußte, lebten wohl nirgendwo mehr Menschen, denen sie ihre Erkenntnisse zum Vortrag hätte bringen können.
Aber nach wie vor sehnte sie sich danach, zu reden.
Erneut drang Maserstrahlung aus einer Konvektionszelle und berieselte sie, hell und kohärent.
Neugierig geworden, folgte sie dem Pfad einer Konvektionszelle, wie sie mit ihrer Fracht aus Wärmeenergie Kurs aus dem Herzen der Sonne hinaus nahm. Sie sah, daß die Kollision der Partikel das Gas mit Energie aufpumpte – und die Monoxid-Moleküle wurden in einen instabilen, angeregten Zustand versetzt und rotierten schnell.
Ein Photon, das mit genau der richtigen Frequenz auf ein aufgepumptes Molekül traf, konnte dieses Molekül aus seinem instabilen Zustand befreien. Das Molekül gab Energie ab und emittierte ein weiteres Photon mit derselben Frequenz. Also gab es nun zwei Photonen, wo es zuvor nur eines gegeben hatte… Und die beiden Photonen stimulierten zwei weitere Atome, woraus sich dann vier Photonen ergaben… Eine geometrisch ansteigende Kettenreaktion mit einer Flut aus Photonen von den angeregten Siliziummonoxid-Molekülen – alle mit derselben Mikrowellen-Frequenz, und alle kohärent – mit derselben Phase.
Lieserl wußte, daß signifikante Masereffekte nur dann erzielt werden konnten, wenn die aufgepumpten Moleküle in gerader Linie aufgereiht wurden und somit einen langen Kohärenzpfad bildeten. Die Konvektionszellen mit ihren langen, viele Millionen Jahre dauernden Reisen zur Oberfläche und zurück lieferten exakt solche Pfade. Maserstrahlung strömte kaskadenförmig nach oben und unten an den langen Flanken der Zellen entlang, drang in den Heliumkern ein und stach wieder aus ihm heraus.
Sie sah, daß die Maserstrahlung sogar ganz aus der Sonne entweichen konnte. Die Konvektionsquellen touchierten in ihren Extrempositionen die Oberfläche; Maserenergie wurde tangential zur Oberfläche der aufgeblähten Sonne ausgestoßen und bildete winzige, präzise Leuchtbojen aus kohärentem Licht.
Und diese Maserbojen waren, wie sie mit zunehmender Erregung realisierte, höchst individuell.
Aufgeregt flog sie kreuz und quer durch die riesigen Konvektionszellen. Sie fand heraus, daß sie ohne Schwierigkeiten die Form der kohärenten Siliziummonoxid-Maserstrahlen manipulieren konnte; sie prägte der kohärenten Wellenlänge, Polarisation und Phase der Strahlen eine Struktur auf.
Sie begann mit einfachen Signalen: Sequenzen von Primzahlen, schlichten binären Symbolkonfigurationen. Sie konnte das fast bis ultimo treiben; aufgrund der Zeit, welche die kohärente Strahlung benötigte, ihre Feuerpunkte an der Oberfläche zu erreichen, genügte es, wenn
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