Xeelee 4: Flux
gelenkt werden?«
»Aber, meine Liebe, das ist bereits geschehen. Der Stern wurde auf Kollisionskurs mit dem Ring geschickt. Daß wir eine Steuerung gefunden haben, ist kaum verwunderlich. Und dies ist eine Sternkarte, die den Piloten beim Dirigieren einer ganzen Welt unterstützt…«
Erneut packte sie die Hebel, und die große, unheimliche Kugel erschien wieder. Dura nahm all ihren Mut zusammen. »Hork, wir dürfen nicht zulassen, daß unsere Welt zerstört wird.«
Mit leerem Blick und flachem Atem bewegte er sich auf sie zu. Er hatte die Arme ausgestreckt. Sie umklammerte die Griffe, wobei sie fast damit rechnete, daß er sich auf sie stürzte.
»Dura, steig vom Stuhl. Seit tausend Jahren kreuzt der Stern durch den Weltraum. Wir müssen unsere Pflicht tun und uns dem Schicksal stellen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du hast dich da in etwas hineingesteigert, Hork… Es ist nicht unser Kampf.«
Er sah sie stirnrunzelnd an; sein bärtiges Gesicht hatte sich zu einer Fratze verzerrt. »Dem Kampf verdanken wir unsere Existenz. Generationen von Menschen haben für diesen Moment gelebt und gelitten, sind für ihn gestorben. Dies ist die Bestimmung unserer Rasse, die Apotheose! Nun weiß ich es… Wie kann jemand wie du das Schicksal der Welt in seine Hände nehmen wollen?«
»Aber ich kann das nicht – akzeptieren. Ich muß etwas unternehmen. Wir müssen versuchen, uns zu retten.«
Zweifel – eine Art Sehnsucht – erschien in Horks breitem Gesicht. »Dann bedenke dies. Angenommen, wir haben recht. Angenommen, unsere Welt zielt wirklich auf die Xeelee. Wenn es wirklich möglich ist, den Stern mittels dieser Vorrichtung zu steuern – weshalb existiert diese Vorrichtung überhaupt?«
Sie fürchtete sich vor ihm – nicht nur in körperlicher Hinsicht, sondern auch wegen dieses neuen Aspekts seines Charakters, dieses Fanatismus.
»Überleg doch mal«, sagte er. »Wenn du der Konstrukteur dieser Waffe wärst, der Ur-Mensch, der diese phantastische Mission geplant hat, was würdest du von der Person, die nun, auf dem Höhepunkt der Schlacht, auf dem Stuhl sitzt, erwarten?«
»Daß sie die Flugbahn korrigiert«, sagte sie nachdenklich. »Um den Stern noch präziser ins Ziel zu lenken.«
Er breitete die Arme aus. »Genau. Vielleicht gibt es hier Geräte oder Memoranden, die uns – oder die Person, die hier hätte sitzen sollen – anweisen, genau das zu tun. Und was, wenn wir das nicht tun, Dura? Wenn wir die Mission nicht erfüllen? Vielleicht werden die Ur-Menschen selbst eingreifen, um uns wegen unserer Anmaßung zu bestrafen.«
Ihre Handflächen waren schweißnaß; er hatte nämlich den Konflikt in Worte gefaßt, der in ihr tobte. Wer war sie, daß sie über das Schicksal der Welt und vieler Generationen bestimmen wollte?
Sie ließ ihr Leben Revue passieren, die außergewöhnliche Ereigniskette, die sie bis zu diesem Ort geführt hatte. Früher, es war noch nicht allzu lange her, hatte sie zusammen mit den Menschlichen Wesen im Mantel geschwebt, immer auf der Hut vor einem Störfall. Je weiter sie sich aufgrund der Ereignisse von der Heimat entfernte, desto größer wurde ihr Verständnis des Mantels, des Sterns und der Rolle der Menschheit, genauso wie ihre Wahrnehmung durch die stufenweise Betätigung dieses ur-menschlichen Konstrukts erweitert wurde.
Und nun befand sie sich hier und war mehr als jeder andere Mensch seit den Tagen der Kern-Kriege imstande, den Gang der Ereignisse zu beeinflussen. Ihr wurde schier schwindlig, als sie sich an die ersten Ausflüge zum Rand des Krusten -Walds erinnerte, die sie als kleines Mädchen mit ihrem Vater unternommen hatte.
Ihr Bewußtsein schien zu implodieren. Sie wurde sich ihres Körpers bewußt – der geöffneten Poren, der angespannten Muskeln, des Messers, das noch immer im um die Hüfte gebundenen Strick steckte. Sie schaute in Horks aufgerissene Augen und erkannte dort Rücksichtslosigkeit, Überschwang, einen Rauschzustand und erste Anzeichen des Wahnsinns. Hork, überwältigt von der Reise, dem Reich der Ur-Menschen, den Kolonisten und den Sternen hatte vergessen, wer er war. Sie hingegen hatte es nicht vergessen. Sie wußte, wer sie war. Dura, Menschliches Wesen, Tochter von Logue – nicht mehr und nicht weniger. Und sie war nicht mehr oder weniger legitimiert, für die Völker des Sterns zu sprechen als sonst jemand. Und deshalb würde sie nun handeln müssen.
Ihre Unsicherheit verwandelte sich in Entschlossenheit. »Hork, die Ziele dieser
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