Xeelee 4: Flux
Stiefel im Rücken. »Mach schon«, knurrte Hosch. »Du wirst es überleben. Wahrscheinlich zumindest.«
Mit den Schultern drückte Farr gegen die kreisförmige Luke. Sie setzte ihm einen beträchtlichen Widerstand entgegen, und er hörte, daß die Kernstoff-Bänder, welche die Kapsel umspannten, mit einem kratzenden Geräusch seitlich wegglitten.
Dann flog die Luke auf und trudelte in die Luft hinaus. Die Luft außerhalb der Glocke war viskos und verdrängte die dünnere, frische Kabinen- Luft . Die Lichtverhältnisse im Innern wurden schlagartig schlechter.
Farr hielt den Atem an, und der Mund schloß sich fast ohne sein Zutun. Er spürte einen Druck auf der Brust, als ob die dichtere Luft versuchte, durch die Haut in die Lunge zu gelangen. Mit Willenskraft öffnete er den Mund. Die zähe, purpurne Luft wälzte sich die Kehle hinunter, und er spürte den bitteren Geschmack auf den Lippen. Er keuchte; das Zeug brannte, als ob es durch die Kapillaren strömte.
Dann hatte er sich im UnterMantel akklimatisiert. Probeweise hob er die Arme und krümmte die Finger. Er konnte sich zwar normal bewegen, fühlte sich jedoch schwächer als sonst. Vielleicht war der Anteil suprafluider Luft geringer als im eigentlichen Mantel.
»Du solltest die Luke bergen«, sagte Bzya. Seine Stimme war verzerrt, als ob er ein Tuch vor dem Mund hätte.
Farr nickte und stieß sich von der Glocke ab.
Die gelb-purpurne Luft war so dick, daß sie das Licht fast nicht leitete; Farr hatte den Eindruck, in einer dunkelwandigen Blase mit einem Durchmesser von ungefähr vier Mannhöhen gefangen zu sein. Die Glocke schwebte im Mittelpunkt der Blase. Dahinter dräute das Rückgrat, dessen Anfang und Ende in der diesigen Luft verschwanden. Als Farr nun einen Blick auf das Rückgrat warf, sah er, daß es mit Drähten aus Kernstoff umwickelt war – sie mußten ein Magnetfeld analog zu dem der Glocke erzeugen, das unter den Bedingungen des UnterMantels die Integrität des Rückgrats gewährleistete. Die Kabel der Glocke schlängelten sich der Welt des oberen Mantels entgegen, einer Welt, die Farr schier unerreichbar erschien.
Die Luke war nicht weit von ihm entfernt. Er schwamm zu ihr hinüber, wobei die Luft, in die er eingebettet war, wie ein zäher Brei wirkte. Er fing die Luke ein und brachte sie zu Bzya zurück.
»Und nun den Berg«, rief Hosch. »Siehst du ihn?«
Farr schaute sich um. Dort war eine Masse, ein Klumpen, der zwischen der Glocke und dem Rückgrat hing. Er hatte eine Länge von einer halben Mannhöhe und klebte wie ein dunkler, unregelmäßiger Auswuchs auf der glatten Oberfläche der Glocke.
»Was ist mit den Seilen?«
»Überprüfe zuerst den Berg«, rief Hosch. »Sieh nach, ob die Kabel beschädigt sind.«
Farr sog die Luft ein und krümmte die Beine. Er würde nur ein paar Stöße brauchen, um den Brocken aus Kernstoff zu erreichen.
Beim Näherkommen sah er, daß die Oberfläche des Bergs mit kleinen Vertiefungen übersät war. Die Vorstellung fiel ihm schwer, daß dies das Material war, aus dem die schimmernden Reifen der Glocke, die Anker-Bänder der Stadt oder die filigranen Einlagen der Surfbretter bestanden. Er befand sich nur noch eine Armlänge vom Berg entfernt und schwamm immer noch… Wenn er lange genug lebte, würde er gern einmal die Werkstätten – die Gießereien, wie Bzya sie bezeichnete –, besichtigen, wo die Umwandlung dieses Zeugs stattfand…
Unsichtbare Hände griffen nach ihm und zerrten ihn zur Seite. Er überschlug sich und driftete von der Glocke weg. Er schrie auf, und obwohl er mit aller Kraft Luft trat, kam er nicht mehr von der Stelle.
Zitternd versuchte er, sich in der Luft zu stabilisieren. Er hörte, daß Hosch ihn auslachte, und auch Bzya mußte sich anscheinend ein Lächeln verkneifen.
Dann war das also nur ein weiteres Spiel, noch ein Test für ihn.
Er schloß die Augen und unterdrückte mit Willenskraft das Zittern. Er versuchte nachzudenken. Unsichtbare Hände? Nur ein Magfeld hätte diese Wirkung haben können – und zwar das schützende Magfeld der Glocke. Natürlich war er seitlich versetzt worden; diese Kraft übten Felder auf bewegte Objekte wie seinen Körper schließlich aus. Daher mußte man sich beim Schwimmen auch quer zu den Flußlinien des Magfelds bewegen, um eine Vorwärtsbewegung zu erzielen.
Also war das Magfeld der Glocke für dieses Malheur verantwortlich gewesen. Welch ein Spaß!
Logue hätte ihm wahrscheinlich eine Standpauke gehalten, weil er das nicht
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