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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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musterte Kapur und runzelte die Stirn. »Wenn du mal die Augen Öffnen würdest, wärst du auch imstande, dir eine Meinung zu bilden.«
    Widerwillig kam Kapur dieser Aufforderung nach.
    Der Erfassungsbereich der Augen reichte über das schmale menschliche Spektrum hinaus, und die Netzhaut juckte unter dem Ansturm von Photonen aller Wellenlängen.
    Die Galaxie verschwamm, und der Kern explodierte in Gammastrahlung. Die Schneeflocke schälte sich aus der Dunkelheit, wie eine Eisblume auf einer Fensterscheibe kristallisierte.
    »Packen wir’s an«, sagte Mace. »Wir werden zuerst die allgemeinen Merkmale erfassen. O.K.?«
    Kapur, in dessen Augen die gigantische Schneeflocke sich spiegelte, sagte nichts.
    »Die Flocke ist ein regelmäßiger Tetraeder«, sagte Mace. »Er wurde um die Überreste eines Schwarzen Zwergs herumgebaut. Der alte Stern befindet sich im Schwerpunkt des Tetraeders. Die Schneeflocke hat einen Umfang von fast siebzehn Millionen Kilometern. Wir wissen nicht, wie sie in der Gravitationsquelle des Sterns ihre Struktur aufrechterhält.« Maces Ton war prononciert und nüchtern – keine Spur von Ehrfurcht. »Das Artefakt hat annähernd die Masse der Erde. Nur dass die Erde einen Durchmesser von zwölftausend Kilometern hat. Dieses Ding ist wie ein Ballon aufgeblasen worden. Es ist mit Verstrebungen, Verspannungen und Eisenträgern angefüllt wie ein Gerüst. Die Struktur stellt eine ziemlich gelungene Annäherung an eine raumfüllende Kurve dar. Streng genommen hat sie eine fraktale Dimension, irgendwo zwischen zwei und drei… Und sie hat eine fraktale Architektur. Weißt du, was das heißt?«
    »Ich bin kein Mathematiker«, sagte Kapur.
    Mace schwieg beredt. »Dann wird dir das Gödel-Theorem bestimmt gefallen«, frozzelte er.
    »Das was?«
    »Schon gut. Bei näherer Betrachtung der Flocke werden wir feststellen, dass das Muster des Tetraeders sich in jedem Maßstab wiederholt. Deshalb bezeichnen wir sie auch als Schneeflocke«, sagte Mace. »Nicht wegen ihrer Form, sondern weil eine Schneeflocke auch fraktal ist. Rekursive Strukturen in jedem Maßstab. Und sie existiert schon seit langer Zeit.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Mace, dessen Augen auf die Flocke geheftet waren, rieb sich mit der flachen Hand abwesend die Nasenflügel. »Weil sie schweinekalt ist. Seit ihre Sonne vor Jahrmilliarden verlosch, hat sie sich auf die Hintergrundtemperatur des Universums abgekühlt – drei Grad über dem absoluten Nullpunkt… obwohl«, sagte er versonnen, »der Himmel noch eine Temperatur von achtzehn Kelvin hatte, als das Ding erbaut wurde.
    Kannst du mit diesen Zahlen etwas anfangen, Kapur? Ich weiß, dass du vor diesem Auftrag kaum jemals von der Erde runtergekommen bist.« Mace machte kein Hehl daraus, dass er sich im Vergleich zu seinem Kollegen für einen echten Kosmopoliten hielt. Er meinte es aber nicht böse. Zumal das erst Kapurs zweiter Einsatz im Weltall war. Das erste Mal hatte er die Aufforderung überbracht, die gescheiterte Assimilation der Khorte-Kolonie zu wiederholen.
    »Wieso gerade Eisen?«, fragte er.
    »Weil Eisen das stabilste Element ist. Die Schneemänner – die Erbauer – hatten das Ding für die Ewigkeit gebaut, Kapur.«
    Kapur nickte. »Dann war das einmal ein Planet, bevor er zu einem… Märchenschloss ausgebaut wurde?«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Als dieses Objekt nur eine Milliarde Jahre nach dem Urknall gebaut wurde, gab es kaum schwere Elemente, aus denen Planeten hätten entstehen können. Die Galaxis selbst war auch nicht mehr als eine Rauchscheibe mit vereinzelten Protosternen.« Die metallisch grauen Augen rotierten zu Kapur. »Kapur, du musst auch wissen, dass die physikalische Struktur nicht das einzige Kriterium ist. Es gibt viele Ebenen unterhalb des Materials. Heute noch ist dieses Ding ein eisernes Daten-Geflecht, ein steter Strom von Bits und Bytes, die der Entropie trotzen.«
    Kapur lächelte. »Du hast eine blumige Ausdrucksweise, Mace.«
    »Die Schneemänner haben ihr gesamtes Wissen in dieses Artefakt geladen«, fuhr Mace fort. »Irgendwann sind sie dann… gegangen.« Er grinste Kapur an. »Möglicherweise. Oder vielleicht sind sie auch noch da.«
    Kapur schauderte und schlang die dürren Arme um den Körper.
    »Und wieso, mein Freund? Was meinst du? Wieso haben sie diese wundervolle Skulptur aus Eisen und Daten erschaffen? Nur damit sie abkühlt?«
    Mace grinste noch immer. »Das herauszufinden ist dein Job, nicht?«
    Kapur starrte aufs

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