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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Vorlesung fort. »Aber wir wollen noch weiter gehen. Die Planck’sche Adaptionsmaschine ermöglicht uns, nicht nur in die Bereiche des sehr Großen, sondern darüber hinaus auch in die Dimension des Unendlichen vorzustoßen. Unser Apparat wird einige der wichtigsten Theoreme unserer – und Ihrer – Mathematik verifizieren: die Riemann’sche Hypothese zum Beispiel! Oder das Fermat’sche Theorem. Und das ganz einfach durch unmittelbare Überprüfung aller einzelnen Fälle bis hin ins Unendliche – durch Ausprobieren!«
    Ich starrte den hopsenden Geist verwundert an. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht mehr folgen. Braucht man für eine unendliche Anzahl von Fällen nicht auch eine unendliche Menge an Zeit? Und Energie?«
    »Nicht, wenn man Zeit und Energie in immer kleinere Einheiten teilt, bis sie schließlich in einem endlichen Wert konvergieren. Und wenn man das Unschärfeprinzip vollständig ausschaltet, kann eine unendlich kleine Energieverteilung erreicht werden.«
    »Verstehe. Sie haben also vor, die Planck’sche Konstante auf Null zu bringen.«
    »Korrekt. Wobei mathematische Spekulationen erst den Beginn darstellen, Jack. Eine Art Training. Der künstliche Denkapparat funktioniert heuristisch, er ist flexibel. Und er ist lernfähig. Seine unbegrenzte Kapazität bringt uns an die Schwelle einer neuen Ära…«
    Plötzlich ein Lichtbogen – ein blendend heller Funke zuckte im Herzen der silbrigen Planckblase. Der Denkapparat zappelte wie ein grotesker Fötus.
    Ich krallte mich an einen silberglänzenden Strick. »Botschafter! Das Universum könnte in die Brüche gehen!«
    »Was?«
    »Sagt Ihnen das etwas?«
    »Nichts, Jack. Sind Sie…«
    Der Innenraum der Blase stand in Flammen, das Feuer fiel über den Apparat her. Für einen kurzen Moment glühte die Blase heller als der Kern des Sterns.
    Dann veränderte sich die Farbe. Die Blase glänzte silbern wie ein riesiger Geist. Über ihre Flanken zuckten zitternd Spiegelbilder des Gewimmels auf den Forschungsplattformen, flackerte der Widerschein der Mauerfugen in der Höhlenwand der riesigen StadtWelt.
    »Was geht da vor sich, Botschafter?«
    »Ich… Ich weiß nicht so recht.«
    »Haben Sie Planck-Null erreicht?«
    »Ja. Aber das Gehirn hätte uns signalisieren sollen…«
    Die Wände der Blase zogen sich zusammen, hundert Meter beinahe. Zitterten wie die Weichen eines Lebewesens, das tief Luft holte.
    Mein Schiff ruckte und schlingerte, trieb ab und schoss auf die Wände der Kammer zu. Ein Mitglied der Mannschaft blieb zurück, stürzte durch den Raum, wie ein Quecksilbertropfen im freien Fall. Ich klammerte mich krampfhaft an mein Seil.
    Die Wände lagen immer noch in unendlicher Ferne.
    Die Oberfläche der Blase blähte sich auf und fiel über uns her.

    Ich war allein. Unendlich, entsetzlich allein.
    Und einsam.
    Es war dunkel.
    Dunkel, weil Photonen bei Planck-Null keine Energie mehr besitzen. Es gab nichts mehr, keinen Lichtreiz mehr, auf den mein optisches Sensorium hätte reagieren können…
    Und es war kalt. Wie war es möglich, dass ich fror? Ich rieb die Hände aneinander, und meine Finger zerbröckelten wie altes brüchiges Papier.
    Die Energie von Elektronenbahnen in einem Atom ist proportional der Planck’schen Konstante. Bei Planck-Null war es daher soweit: Der Kollaps setzte ein. Unausweichlich… Ende der Chemie – nichts hält mehr zusammen. Wie lange es wohl noch dauern würde, bis dieser Auflösungsprozess die Schädeldecke erreicht hat?
    Wie würde sich das anfühlen?
    Die Wellenfunktionen, die mich mit dem Rest des Universums verbanden, waren bei Planck-Null zu Staub zerfallen.
    Ich spürte es: Ich war allein. Allein in einem Universum, das in die Brüche gegangen war.
    Was war mit dem Schiff? Hielt es immer noch Kurs auf die Wand?
    Aber irgendetwas war bei mir. Die Geister? Nein. Etwas Größeres, Mächtigeres.
    Unendliches.
    Der Denkapparat war außer Kontrolle. Er tobte. Tobte, weil er im diskontinuierlichen Raum gestrandet war, weil er Qualen litt, Schmerzen, die auch ich empfand.
    Doch jetzt bemerkte ich noch andere Intelligenzen: Geister. Winzige Sterne, die verblassten und auseinanderfielen.
    Die Planckmaschine schlug zu, und die Geister verschmorten wie Insekten im Feuer.

    Dann platzte das Schiff aus der Blase. Quantenfunktionen rasten über mich hinweg, wurden einen kostbaren Moment lang sichtbar, Spektralwellen rieselten über mich… Ich war noch einmal davongekommen, das Universum hatte mich wieder.
    Das Schiff raste

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