Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
Winde verstreute Menschheit klammert sich sklavisch an ihre sprachlichen Überlieferungen. Wir haben einen ganzen Datenspeicher voll davon… Doch wozu soll das alles gut sein?« Gren verzog in gespielter Ratlosigkeit das Gesicht.
Rodi holte sich eine Kaffeekugel aus dem Ausgabefach des Tischs. »Gren, wieso sind die Archen-Korridore eigentlich gekachelt?«
Gren süffelte Kaffee und sah Rodi überrascht an. »Weil es zweckmäßiger ist, nehme ich an«, sagte er nach kurzem Nachdenken.
»Für uns schon. Aber die Arche ist ein Spline-Schiff. Wie müssen die Spline sich wohl fühlen? Früher waren die Spline Freihändler. Nun haben wir die Eingeweide dieses Wesens ausgekleidet und ihm Kontrollen ins Bewusstsein gepflanzt. Gren, wir predigen die Ganzheitlichkeit des Lebens und das Streben nach Vollständigkeit. Ist das vielleicht eine angemessene Art und Weise, ein Mitgeschöpf zu behandeln?«
»Aha. Dein erster Besuch ist nicht so verlaufen, wie du erwartet hattest.« Er lächelte. »Du bist nicht der Erste, der so reagiert.«
Rodi hielt die warme Kaffeekugel an die Brust. »Bitte nimm mich ernst, Gren. Ist unsere Philosophie, der Kreuzzug zum Ring, etwa eine Farce?«
»Du weißt, dass das nicht stimmt. Die Integralität ist eine Bewegung, die aus dem jahrhundertelangen menschlichen Überlebenskampf hervorgegangen ist. Sie hat quasi-religiöse Elemente. Selbst die Worte, die wir benutzen – ›Seminar‹, ›Mission‹ – haben den Stallgeruch uralter Religionen. Es ist mitnichten eine Farce. Wir wollen der Integralität eine zündende Botschaft verleihen, damit sie andere Glaubensrichtungen verdrängt… insbesondere den dunklen Drang der Menschen, massenhaft in den Tod zu gehen.«
»Krieg…«
Gren hieb auf den Tisch. Er hatte einen so ernsten Ausdruck auf dem runden Gesicht, dass es schon wie eine Karikatur wirkte. »Ja, Krieg. Deshalb wurden auch die Ressourcen ganzer Planeten gebündelt, um die Exaltation hierher zu schicken, zum Schauplatz des größten und sinnlosesten Kriegs der Menschheit.
Rodi, wirf deine Zweifel über Bord. Die Menschheit ist groß, verstreut und verschiedenartig. Die Mond-Leute haben dich enttäuscht. Gut, sie gehen ihren eigenen Weg. Deshalb ist die Rechtmäßigkeit des Kreuzzugs aber nicht in Frage gestellt.«
Ein weiterer Tisch kam angeflogen. Ein junges Paar unterhielt sich flüsternd. Rodi beobachtete sie abwesend und dachte an seine Eltern. Beide arbeiteten sie in den Biotech-Tanks der Arche. Er erinnerte sich, wie stolz sie waren, als er zum Seminar zugelassen wurde und dann am Missionsflug teilnahm…
Gren lächelte wieder. »Wie dem auch sei, du wirst nicht mehr viel Zeit zum Grübeln haben. Die nächste Mission steht nämlich bevor.«
Rodi schaute verblüfft auf. »Du hältst mich noch immer für qualifiziert?«
»Natürlich. Wir brauchen keine ignoranten Fanatiker. Wir brauchen junge Leute, die denken können, Junge.
Also: Nicht weit von hier gibt es einen Neutronenstern. Er rotiert sehr schnell… Wir haben ein Signal von der Oberfläche aufgefangen.«
»Ein menschliches Signal?«, fragte Rodi ungläubig.
Gren lachte gütig. »Natürlich ein menschliches Signal. Sonst würden wir dich wohl nicht dorthin schicken.«
Rodi leerte die Kugel und legte sie in die Schublade zurück. »Ich glaube, ich sollte mich auf die Suche nach Thet machen…«
Gren legte ihm eine warme Hand auf den Arm. »Rodi, diesmal gehst du allein. Du hast noch ein paar Stunden; ruh dich solange aus…«
* * *
Der Gleiter wirkte leer ohne Thet.
Der Spline bildete eine Öffnung aus, und Rodi kehrte in den Hyperraum zurück. Er bahnte sich einen Weg durch die Exaltation und versuchte, Ruhe zu bewahren.
Ein Virtueller kristallisierte aus funkelnden Pixeln. »Biste solo unterwegs, Junge?«, fragte Thet grinsend. »Ich wollte nur mal vorbeischauen, um dir Glück zu wünschen.« Rodi dankte ihr. »Hör zu, Rodi… Vergiss, was ich über dich gesagt habe. Ich trete jedem auf die Füße, und Worte sind Schall und Rauch. Du hast dich gut gehalten auf dem Mond. Sei vorsichtig.« Sie blinzelte ihm zu, und die Projektion verschwand.
Nun fühlte Rodi sich besser. Er fiel in den Dreier-Raum.
* * *
Der Neutronenstern war Teil eines Doppelsterns. Es handelte sich um den Überrest eines blauweißen Gasriesen, der einmal so hell geschienen haben musste, dass der Begleitstern einen Schatten warf. Vielleicht hatte es sogar Planeten gegeben.
Der Riese war explodiert.
Die Planeten verdampften wie Tau, und
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