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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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betäubte Sehnsucht und Zweifel mit Bewegung…
    Doch es stand ihr etwas im Weg.
    * * *
    Jeder hatte natürlich schon vom Helden gehört. Der Helden-Mythos war für Thea lebendiger als die Legenden von den Ur-Menschen, die (so sagte man) von jenseits des Sterns gekommen waren und Leute gebaut hatten, die hier im Mantel leben sollten – und die sie nach den Kern-Kriegen im Stich gelassen hatten. Vielleicht lag es auch daran, dass der Held von ihrer eigenen Welt stammte und nicht aus einer fernen, vagen Vergangenheit.
    Auch als sie älter wurde – und sich der Tristesse und Perspektivenlosigkeit der elterlichen Welt voll und ganz bewusst wurde –, wünschte Thea sich, der Held im silbernen Anzug möge vom Himmel herabsteigen und sie von diesem Leben voller Armut und Mühsal als Jäger und Sammler am Rand des Krusten-Waldes erlösen.
    Im Alter von fünfzehn Jahren waren ihr Zweifel gekommen, dass der Held überhaupt existierte: Im Überlebenskampf in den Ruinen der Kern-Kriege war der Held ein zu wohlfeiler Mythos, um glaubwürdig zu sein.
    Und damit, dass sie ihm einmal begegnen würde, hätte sie schon gar nicht gerechnet.
    * * *
    »Thea! Thea!«
    Thea steckte im behaglichen Kokon aus geflochtenen Spin-Spinnennetzen und hielt die Augen fest geschlossen. Ihre Schwester Lur war achtzehn – drei Jahre älter als Thea – und hatte noch immer die hohe, schrille Stimme eines Kinds, sagte Thea sich missmutig. Vor allem dann, wenn sie sich fürchtete.
    Furcht.
    Bei diesem Gedanken war Thea plötzlich hellwach. Hastig zog sie die Arme aus dem klebrigen Geflecht des Netzes und steckte den Kopf in die kühle Luft. Sie schüttelte den Kopf, um muffige Luft aus den schlafgeränderten Augen zu vertreiben.
    Routiniert ließ Thea den Blick über den trügerisch ruhigen Himmel schweifen. Lur rief noch immer ihren Namen. Gefahr war im Verzug. Doch woher?
    Theas Welt war der Mantel des Sterns, eine riesige Höhle aus gelb-weißer Luft, die oben von der Kruste und unten vom Quantenmeer abgeschlossen wurde. Die Kruste war eine dick gepolsterte Decke mit einer purpurnen Maserung aus Krypton-Gras und grünen Bäumen. Tief unter Thea bildete das Meer den Boden der Welt, wie eine dunstige Schüssel. Die Vortexlinien, die die Luft zwischen Kruste und Meer durchzogen, schlossen sie wie in einem blauen Käfig ein. Die hexagonal angeordneten Linien waren im Abstand von zehn Mannhöhen durch den Raum gespannt; sie liefen vom Oberlauf – dem Norden – an der Wand des Sterns entlang, schwangen sich wie die Flugbahnen riesiger eleganter Tiere an ihr vorbei und vereinigten sich schließlich im roten Dunst, der der Südpol war – Millionen von Mannhöhen entfernt.
    Theas Leute lebten am unteren, dicht belaubten Rand des Krusten-Walds. Die Kokons hingen wie Früchte zwischen den milchigen Neutrino-Blättern an den äußeren Ästen der Bäume. Als die Menschen zum Vorschein kamen, sahen sie aus wie bizarre Tiere, sagte Thea sich mit einer Verachtung, über die sie selbst erstaunt war: Kreaturen, die sich ans Leben im Wald angepasst und nichts Menschliches mehr hatten. Doch die Schreie der Kinder und die ängstlichen und zornigen Rufe der Erwachsenen waren allzu menschlich… Auch die kleine Luft-Schwein-Herde des Stamms quiekte unisono, zappelte im Netz, in dem sie zusammengepfercht war, und färbte die Luft mit Jet-Winden grün.
    Doch wo war die Gefahr?
    Sie hielt die Finger vors Gesicht und versuchte den Abstand und das Muster der Vortexlinien zu bestimmen. Drifteten sie etwa und wurden instabil?
    Schon zweimal in Theas kurzem Leben war der Stern von Störfällen – Sternbeben – heimgesucht worden. Bei einem Störfall peitschten die Vortexlinien durch die Luft und schnitten wie eine tödliche Sense durch die weiche Substanz des Krusten-Walds – und durch Menschen und ihre Habseligkeiten –, als ob sie nicht mehr Substanz hätten als verfaultes Luft-Schwein-Fleisch…
    Heute schienen die Linien aus quantiertem Spin jedoch stabil zu sein: Nur die stetige Wellenbewegung, anhand derer die Menschen die Zeit bestimmten, überlagerte die lineare Fortpflanzung der Wellen.
    Was dann? Vielleicht eine Spin-Spinne? Doch die Spinnen lebten in der freien Luft und spannten ihre Netze zwischen den Vortexlinien; der Wald war nicht ihr Revier.
    Nun sah sie auch Lur. Ihre Schwester versuchte auf sie zuzuschwimmen; sie war offensichtlich in Panik, bewegte sich unkoordiniert und zappelte im Magfeld. Lur deutete auf etwas hinter Thea und schrie sich fast die

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