Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
Virus aus Wörtern breitet sich über die Verbindungen des Verschränkungsnetzes aus. Wenn wir die Verbindungen unterbrechen, wird dem Virus der Nährboden entzogen.«
»Und wie sollten wir dieses Verschränkungsnetz wohl zerreißen?«
»Indem ihr ein Sternbeben hervorruft.«
Mit dieser Aussage vermochte der Comms-Offizier nichts anzufangen, und Rodi musste ihm detailliert darlegen, wie er sich das vorstellte.
Der Comms-Offizier zögerte, dann sagte er: »Rodi, es gibt zwei Dinge, die du wissen musst. Einmal führen wir diese Ereignisse aus besonderen religiösen und sexuellen Anlässen herbei. Das ist aber kein – Sport. Zum andern werden viele von uns dabei das Leben lassen.«
»Ich weiß sehr wohl, worum ich euch bitte.«
Ein Monitor erhellte sich: Ein anderes Schiff war in seiner Nähe aus dem Hyperraum gestürzt. Ein Virtueller Tank wurde mit einem Grinsgesicht ausgefüllt.
Beim Schiff handelte es sich um die Einigkeits-Arche. Die Visage gehörte Thet.
»Man sagte mir, du seist mit dem Gleiter verschwunden«, sagte sie. »Es gehörte nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wohin du fliegen würdest. Du willst uns sabotieren, nicht wahr?«
Rodi starrte sie stumm an.
»Stehen wir noch in Kontakt, Rodi von der Integralität?«
»Ja, Comms-Offizier…«
»Rodi, du hast eine Minute Zeit, um in den Landeanflug auf die Einigkeit zu gehen. Danach eröffnen wir das Feuer. Hast du verstanden?«
»Comms-Offizier, wie lautet deine Antwort?«
»Ich muss noch Rücksprache halten.«
»Bitte beeil dich. Es sieht schlecht aus für mich.«
Thets Grinsen wurde immer breiter, je mehr die Minute dahinschmolz. Rodi erkannte, dass die Metamorphose ihr quasi zur Selbstverwirklichung verholfen hatte – sie hatte sich als Missionarin verabschiedet und als Kriegerin ihre wahre Bestimmung gefunden.
»Die Zeit ist um, Rodi.«
»Integralität? Wir werden deiner Bitte entsprechen.«
»Herzlichen Dank!«
Rodi riss den Gleiter in den Hyperraum, und Thet knurrte frustriert.
* * *
Die Exaltation zerfiel.
Die Archen, die transformierten Schlachtschiffe, fielen kontinuierlich in den Dreier-Raum… doch sie kehrten angeschlagen und blutend zurück, und jedes Mal wurden es weniger.
Das Gros der Flotte, das nun von der Infektion geheilt war, zog weiter seine Bahn.
Rodi ging mit sich selbst ins Gericht. Hatte er seine Rasse verraten, indem er diesen gigantischen Plan zunichte machte?
Nein – das Stratagem an sich war schon Verrat gewesen, Verrat an den Generationen, die für die Exaltation gelebt hatten und gestorben waren; und auch Verrat am Ideal der Integralität selbst.
Er fragte sich, ob Grens Hypothese eines in Fragmenten von Poesie eingebetteten Schlüssels plausibel war. Sie schien phantastisch… und doch waren Fragmente von Versen ausgelegt worden wie eine Spur. Vielleicht existierte ein Dutzend Schlüssel, die über Lichtjahre und Jahrhunderte verstreut waren und sich gegenseitig verstärkten – und von denen ein paar vielleicht sogar in die Struktur des Raums eingebettet waren, den die Exaltation durchqueren musste.
Vielleicht brauchte man auch gar keinen Schlüssel, sagte Rodi sich düster. Er dachte an Thet. Im Rückblick hatte sie die Ideale der Integralität allzu bereitwillig über Bord geworfen und in der Kriegsführung geschwelgt – mit oder ohne Schlüssel.
Jedoch hatten die Urheber dieser epochalen Ranküne sich selbst überlistet. Auf der Suche nach einer perfekten Lüge waren sie über eine Wahrheit gestolpert – die Wahrheit im Herzen der Philosophie der Integralität. Diese Wahrheit war sein Antrieb, wie Rodi nun erkannte.
Am Ende hatte die Wahrheit sie zu Fall gebracht.
Rodi würde seine Eltern nie wiedersehen.
Doch die Exaltation würde fortdauern. Er würde auf eine andere Arche gehen und…
Thets Stimme zischte durchs verzerrte Verschränkungsnetz. »Ich weiß… du hast es getan…«
Die Einigkeits-Arche füllte die Monitore aus und schnitt ihn von der Exaltation ab.
»Thet. Das hat doch keinen Sinn…«
Der Gleiter bockte.
»… beim nächsten Mal…«
Mit einem frustrierten Brüllen fiel er in den Dreier-Raum und tauchte über dem Ring auf.
Die waffenstarrende Einigkeits-Arche kam auf ihn zu. Thets Bild war klar. »Es ist vorbei, Rodi.«
Rodi nahm die Hände von der Steuerung. Er war todmüde. »Na gut, Thet. Du hast Recht. Es ist vorbei. Wir sind beide von der Exaltation abgeschnitten. Wir sind hier gestrandet. Töte mich, wenn du willst.«
Die Einigkeits-Arche
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