Xenozid
verarbeiten und überwinden können.«
»Das Begräbnis ist nicht so wichtig«, sagte Valentine. »Ihr Problem ist der heutige Abend.«
»Wieso?« fragte Kovano. »Der erste Schock über die Nachricht von Vater Estevãos Tod wird abgeklungen sein. Die Leiche wird erst morgen hier eintreffen. Was ist mit dem heutigen Abend?«
»Sie werden alle Bars schließen müssen. Verbieten Sie, daß Alkohol ausgeschenkt wird. Stellen Sie Grego bis nach der Beerdigung unter Arrest. Verhängen Sie eine Ausgangssperre ab Sonnenuntergang und lassen Sie alle Polizisten Dienst schieben. Lassen Sie sie in Vierergruppen die ganze Nacht Streife gehen, und rüsten Sie sie mit Schlagstöcken und Seitenwaffen aus.«
»Unsere Polizei hat keine Seitenwaffen.«
»Geben Sie ihnen trotzdem welche. Sie müssen sie ja nicht laden, sie sollen sie nur zeigen. Ein Schlagstock ist eine Einladung, mit den Behörden zu streiten, weil man immer davonlaufen kann. Eine Pistole ist eine Aufforderung, sich höflich zu benehmen.«
»Das klingt sehr extrem«, sagte Bischof Peregrino. »Ein Ausgangsverbot! Was ist mit den Arbeitern, die Nachtschicht haben?«
»Stellen Sie alle Arbeit bis auf die unbedingt lebensnotwendigen Dienste ein.«
»Verzeihen Sie, Valentine«, sagte Bürgermeister Kovano, »aber blasen wir die Dinge nicht nur unnötig auf, wenn wir so überreagieren? Vielleicht verursachen wir damit genau die Panik, die wir vermeiden wollen.«
»Sie haben nie einen Aufruhr gesehen, nicht wahr?«
»Nur das, was letzte Nacht passiert ist«, sagte der Bürgermeister.
»Milagre ist eine sehr kleine Stadt«, sagte Bischof Peregrino. »Nur etwa fünfzehntausend Bewohner. Wir sind kaum groß genug, um einen echten Aufruhr zu haben – den gibt es in großen Städten, auf dicht besiedelten Welten.«
»Das ist keine Frage der Bevölkerungsgröße«, sagte Valentine, »sondern eine der Bevölkerungsdichte und des Ausmaßes der Angst. Ihre fünfzehntausend Menschen sind auf einen Raum zusammengepfercht, der kaum die Größe der Innenstadt einer großen Gemeinde hat. Die Stadt ist umzäunt, weil draußen unvorstellbar fremde Geschöpfe leben, die glauben, ihnen gehöre die ganze Welt, obwohl jeder die gewaltigen Prärien sehen kann, die den Menschen offenstehen sollten; doch die Schweinchen verweigern sie ihnen. Die Stadt wurde sozusagen von der Pest gebeutelt, und nun sind die Menschen von jeder anderen Welt abgeschnitten, und es kommt eine Flotte, die diesen Planeten in naher Zukunft besetzen und die Menschen unterdrücken und bestrafen wird. Und an allem tragen nach der Vorstellung dieser Menschen die Schweinchen Schuld. Gestern abend erfuhren sie erstmals, daß die Schweinchen wieder getötet haben, trotz ihres ernsten Eides, nie wieder einem Menschen Schaden zuzufügen. Zweifellos hat Grego ihnen eine farbige Schilderung des Verrats der Schweinchen geboten – der Junge kann mit Worten umgehen –, und die wenigen Männer, die in den Bars waren, haben gewalttätig reagiert. Ich versichere Ihnen, wenn Sie es nicht verhindern, wird es heute abend nur noch schlimmer kommen.«
»Wenn wir derartig unterdrückende Zwangsmaßnahmen anordnen, werden sie glauben, wir wären in Panik geraten«, sagte Bischof Peregrino.
»Sie werden glauben, Sie hätten alles fest unter Kontrolle. Die ausgeglichenen Menschen werden Ihnen dankbar sein. Sie werden das öffentliche Vertrauen wiederherstellen.«
»Ich weiß nicht«, sagte Bürgermeister Kovano. »Kein anderer Bürgermeister hat jemals so etwas angeordnet.«
»Es bestand auch noch nie ein Grund dazu.«
»Die Leute werden behaupten, ich hätte die geringste Ursache benutzt, um mir eine diktatorische Machtfülle anzueignen.«
»Vielleicht«, sagte Valentine.
»Sie werden nie glauben, daß es wirklich einen Aufruhr gegeben hätte.«
»Vielleicht unterliegen Sie also bei der nächsten Wahl«, sagte Valentine. »Na und?«
Peregrino lachte laut. »Sie denkt wie ein Kleriker.«
»Ich bin bereit, eine Wahl zu verlieren, wenn ich jetzt das Richtige tue«, sagte Kovano etwas zweifelnd.
»Sie wissen nur nicht, ob es das Richtige ist«, sagte Valentine.
»Nun, Sie können nicht mit Sicherheit sagen, daß es heute abend einen Aufruhr geben wird.«
»Doch, das kann ich«, entgegnete Valentine. »Ich verspreche Ihnen, das Sie viel mehr verlieren werden als nur die nächste Wahl, wenn Sie die Dinge jetzt nicht fest in die Hand nehmen und verhindern, daß sich heute abend Mobs zusammenrotten.«
Der Bischof kicherte
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