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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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gewesen war.
    Ender hätte den Bürgermeister und den Bischof dazu überredet, vernünftige Maßnahmen zu ergreifen. Und wenn ihm das nicht gelungen wäre, wäre er selbst in die Stadt gegangen, hätte die Menschen beruhigt und die Lage unter Kontrolle gehalten.
    Doch als sie wünschte, Ender wäre bei ihr, wußte sie, daß selbst er nicht unter Kontrolle halten könnte, was heute abend geschehen würde. Vielleicht hätte nicht einmal ausgereicht, was sie vorgeschlagen hatte. Ihre Schlußfolgerungen darüber, was heute abend passieren würde, beruhten auf allem, was sie auf vielen verschiedenen Welten in vielen verschiedenen Zeiten gesehen und gelesen hatte. Die Unruhen des gestrigen Abends würden sich heute eindeutig viel weiter ausbreiten. Doch nun begriff sie allmählich, daß die Dinge vielleicht sogar noch schlimmer standen, als sie anfangs angenommen hatte. Die Menschen von Lusitania lebten schon viel zu lange auf einer fremden Welt, ohne ihre Ängste ausdrücken zu können. Jede andere menschliche Kolonie hatte sich augenblicklich ausgebreitet, ihre Welt in Besitz genommen, sie innerhalb von ein paar Generationen zu ihrer eigenen gemacht. Die Menschen von Lusitania lebten noch in einer winzigen Enklave, praktisch in einem Zoo, durch dessen Gitterstäbe schreckliche, schweineähnliche Geschöpfe starrten. Es ließ sich nicht absehen, was sich in diesen Menschen aufgestaut hatte. Wahrscheinlich konnte man es gar nicht mehr im Zaum halten. Keinen einzigen Tag lang.
    In den vergangenen Jahren war Libos und Pipos Tod schon schlimm genug gewesen. Doch sie waren Wissenschaftler gewesen und hatten sich unter den Schweinchen aufgehalten. Bei ihnen war es wie mit einem Flugzeugabsturz oder einer Raumschiffexplosion. Wenn nur die Mannschaft an Bord war, regte sich die Öffentlichkeit nicht ganz so auf – die Mannschaft wurde bezahlt für das Risiko, das sie einging. Nur der Tod von Zivilisten bei solchen Unfällen verursachte Furcht und Zorn. Und in der Vorstellung der Menschen von Lusitania war Quim ein unschuldiger Zivilist.
    Nein, mehr als das: Er war ein Heiliger, der diesen unwürdigen Halbtieren die Bruderschaft und Heiligkeit gebracht hatte. Ihn zu töten war nicht nur bestialisch und grausam, es war ein Sakrileg.
    Die Menschen von Lusitania waren sicherlich so fromm, wie Bischof Peregrino es annahm. Er vergaß dabei jedoch, wie fromme Menschen schon immer auf Beleidigungen gegen ihren Gott reagiert hatten. Peregrino erinnert sich nicht genug an die Geschichte des Christentums, dachte Valentine, oder glaubt vielleicht, all das hätte mit den Kreuzzügen aufgehört. Wie konnte Peregrino glauben, wenn die Kathedrale das Zentrum des Lebens auf Lusitania war und die Menschen ihre Priester liebten, daß die Trauer über den Mord an einem Priester in einem einfachen Gedenkgottesdienst Ausdruck finden konnte? Es würde ihre Wut nur steigern, wenn der Bischof zu glauben schien, Quims Tod habe keine große Bedeutung. Er trug nichts zur Lösung des Problems bei, sondern verschlimmerte es nur.
    Sie suchte noch immer nach Grego, als sie hörte, wie die Glocken geläutet wurden. Der Ruf zum Gebet. Doch es war nicht an der üblichen Zeit für eine Messe; die Leute mußten überrascht aufschauen und sich fragen: Warum läutet die Glocke? Und sich dann erinnern – Vater Estevão ist tot. Vater Quim wurde von den Schweinchen ermordet. Ah, ja, Peregrino, was für eine ausgezeichnete Idee, die Gebetsglocke zu läuten. Das wird den Eindruck der Leute verstärken, alles sei ruhig und normal.
    O Herr, beschütze uns vor allen weisen Männern.
     
    Miro lag in der Krümmung einer von Menschs Wurzeln zusammengerollt. Er hatte in der vergangenen Nacht nicht viel geschlafen, wenn überhaupt, doch jetzt lag er hier, ohne sich zu rühren, während überall um ihn herum Pequeninos kamen und gingen und mit ihren Stöcken Rhythmen auf Menschs und Wühlers Stämme schlugen. Miro hörte die Gespräche und verstand sogar die meisten davon, obwohl er die Vaterzunge noch nicht fließend sprach, da die Brüder keine Anstrengungen unternahmen, ihre eigenen aufgeregten Gespräche vor ihm zu verbergen. Er war schließlich Miro. Sie vertrauten ihm. Also durfte er ruhig mitbekommen, wie wütend und verängstigt sie waren.
    Der Vaterbaum namens Kriegmacher hatte einen Menschen getötet. Und nicht nur irgendeinen Menschen – er und sein Stamm hatten Vater Estevão ermordet, den geliebtesten aller Menschen nach dem Sprecher für die Toten selbst. Es war

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