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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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so viele Möglichkeiten in ihren Köpfen, doch letztendlich sind sie dumm, halb blind und halb verrückt. Es gibt immer noch die neunundneunzig Prozent ihrer Geschichten, die schrecklich falsch sind und sie zu schrecklichen Fehlern führen. Manchmal wünschen wir, wir könnten sie zähmen, wie die Arbeiter. Du weißt ja, bei Ender haben wir es versucht. Aber es gelang uns nicht. Wir konnten keinen Arbeiter aus ihm machen.‹
    ›Warum nicht?‹
    ›Zu dumm? Konnte uns nicht lange genug seine Aufmerksamkeit widmen. Dem menschlichen Verstand mangelt es an Konzentrationsfähigkeit. Sie langweilen sich und lassen ihre Gedanken schweigen. Wir mußten eine Brücke von ihm zu uns bauen und haben dazu den Computer benutzt, mit dem er am engsten verbunden war. Ja, Computer können sich konzentrieren. Und ihre Speicher, ihre Erinnerungen, sind sauber und ordentlich. Alles ist organisiert und läßt sich finden.‹
    ›Aber sie träumen nicht.‹
    ›Kein Wahnsinn. Zu schade.‹
     
    Valentine erschien ungebeten an Olhados Tür. Es war früher Morgen. Er würde erst am Nachmittag zur Arbeit gehen – er war Schichtleiter und Geschäftsführer in der kleinen Ziegelei. Aber er war schon wach und auf, wahrscheinlich weil seine Familie auch schon aufgestanden war. Die Kinder kamen eins nach dem anderen zur Tür hinaus. Ich habe das damals, in den uralten Zeiten, im Fernsehen gesehen, dachte Valentine. Die Familie verläßt morgens das Haus, Vater mit seiner Aktentasche ist der letzte. Auf ihre eigene Art führten meine Eltern solch ein Leben. Sie kümmerten sich nicht darum, wie überaus seltsam ihre Kinder waren. Sie kümmerten sich nicht darum, daß Peter und ich, nachdem wir morgens zur Schule gegangen waren, die Netzwerke durchstöberten und versuchten, mit Hilfe von Pseudonymen die Welt zu übernehmen. Ihnen war es gleichgültig, daß Ender als kleiner Junge von seiner Familie fortgerissen wurde und keinen von ihnen je wiedergesehen hat, auch auf seinem einzigen Besuch auf der Erde nicht – abgesehen von mir. Ich glaube, meine Eltern stellten sich vor, richtig zu handeln, weil sie ein Ritual vollzogen, das sie im Fernsehen gesehen hatten.
    Und hier haben wir es wieder. Die Kinder stürmen durch die Tür. Dieser Junge da muß Nimbo sein, der bei der Konfrontation mit dem Mob bei Grego war. Aber jetzt ist er wieder ein ganz typisches Kind – niemand würde vermuten, daß er an jenem schrecklichen Abend eine wichtige Rolle gespielt hat.
    Mutter gab jedem Kind einen Kuß. Sie war noch immer eine schöne junge Frau, selbst mit so vielen Kindern. So gewöhnlich und doch eine bemerkenswerte Frau, denn sie hatte ja Vater geheiratet. Sie hatte an seiner Mißbildung vorbeigeschaut.
    Und Vater, der noch nicht zur Arbeit gegangen war. Deshalb konnte er dort stehen, sie beobachten, ihnen einen Klaps geben, sie küssen, ein paar Worte sagen. Gut gelaunt, klug, liebevoll – ganz der Vater. Was stimmt also nicht mit diesem Bild? Der Vater ist Olhado. Er hat keine Augen. Nur die silbernen Metallkreise mit den beiden Linsenöffnungen in dem einen Auge, und der Computer-Input/Output-Stecker im anderen. Die Kinder schienen nicht darauf zu achten. Ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt.
    »Valentine«, sagte er, als er sie sah.
    »Wir müssen reden«, sagte sie.
    Er bat sie hinein und stellte sie seiner Frau Jaqueline vor. Die Haut so schwarz, daß sie fast blau war, lachende Augen, ein schönes, breites Lächeln, in das man eintauchen wollte, so freundlich war es. Sie brachte eiskalte Limonade auf und zog sich dann diskret zurück. »Sie können bleiben«, sagte Valentine. »So privat ist es nun auch wieder nicht.« Doch sie wollte nicht bleiben. Sie mußte arbeiten, sagte sie. Und war verschwunden.
    »Ich wollte Sie schon seit langem kennenlernen«, sagte Olhado.
    »Sie wußten doch, wo ich war«, erwiderte sie.
    »Sie hatten zu tun.«
    »Hatte ich nicht«, sagte Valentine.
    »Sie müssen sich um Andrews Belange kümmern.«
    »Dann lernen wir uns eben jetzt kennen. Ich war neugierig auf Sie, Olhado. Oder ziehen Sie Ihren Taufnamen Lauro vor?«
    »In Milagre heißt man, wie die Leute einen nennen. Früher war ich Sule, nach meinem Mittelnamen Suleimao.«
    »Salomon der Weise.«
    »Doch nachdem ich meine Augen verloren hatte, war ich Olhado, und werde es auf ewig sein.«
    »›Der Beobachtete‹?«
    »Ja, das könnte Olhado bedeuten, das Partizip der Vergangenheit von olhar, doch in diesem Fall bedeutet es ›Der Bursche mit den

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