Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
Vom Netzwerk:
sein Opfer würde ihm keine Ehre einbringen. Alle wußten, daß ein Fehlschlag noch möglich war, daß trotz allem Anlaß zur Hoffnung, den sie hatten, keine Gewißheit bestand, daß Elas Recolada die Macht hatte, einen Bruder ins dritte Leben zu führen.
    Die steril gekleideten Brüder hoben ihre Messer und machten sich an die Arbeit.
    Diesmal bin nicht ich es, dachte Ender. Gott sei gedankt, daß nicht ich ein Messer schwingen muß, um den Tod eines Bruders zu verursachen.
    Doch er wandte den Blick nicht ab, wie so viele andere im Labor. Das Blut und die Eingeweide waren ihm nicht neu, und obwohl es das nicht angenehmer machte, wußte er zumindest, daß er es ertragen konnte. Und daß Glas es ertragen konnte. Ender konnte es ertragen, es zu beobachten. Das mußte man doch von einem Sprecher für die Toten erwarten, oder nicht? Etwas mitanzusehen. Er beobachtete alles, was er von dem Ritual sehen konnte, wie sie Glas' lebenden Körper öffneten und seine Organe in die Erde pflanzten, damit der Baum wachsen konnte, während Glas' Verstand noch wachsam und lebendig war. Während des gesamten Rituals gab Glas kein Geräusch von sich, machte Glas keine Bewegung, die auf Schmerz hinwies. Entweder war sein Mut größer, als sie es sich vorstellen konnten, oder die Recolada hatte im Capim gewirkt, so daß das Gras seine narkotischen Eigenschaften bewahrt hatte.
    Endlich war es vollbracht, und die Brüder, die ihn ins dritte Leben geführt hatten, kehrten in den Sterilraum zurück, wo sie ihre Anzüge ablegten, sobald sie von der Recolada und dem viriziden Bakterium gesäubert worden waren. Nackt gingen sie wieder in das Labor. Sie waren sehr ernst, doch Ender glaubte, die Aufregung und Begeisterung sehen zu können, die sie verbargen. Alles war gut verlaufen. Sie hatten gespürt, daß Glas' Körper auf sie reagierte. Innerhalb von Stunden, vielleicht auch nur Minuten müßten die ersten Blätter des jungen Baumes sprießen. Und sie waren zutiefst überzeugt, daß es geschehen würde.
    Ender bemerkte auch, daß einer von ihnen ein Priester war. Er fragte sich, was der Bischof sagen würde, wenn er davon wüßte. Der alte Peregrino hatte sich als durchaus fähig erwiesen, eine außerirdische Spezies in den katholischen Glauben zu integrieren und Rituale und Lehren zu übernehmen, die zu ihren besonderen Bedürfnissen paßten. Doch das änderte nichts an der Tatsache, daß Peregrino ein alter Mann war, dem die Vorstellung nicht gefiel, daß Priester an Ritualen teilnahmen, die trotz ihrer deutlichen Ähnlichkeit mit der Kreuzigung nicht zu den anerkannten Sakramenten gehörten. Nun, diese Brüder wußten, was sie taten. Ob sie dem Bischof nun gesagt hatten oder nicht, daß einer seiner Priester an dem Ritual teilnahm, Ender würde es nicht erwähnen, genausowenig wie einer der anderen anwesenden Menschen, falls es überhaupt einem aufgefallen war.
    Ja, der Baum wuchs. Die Blätter sprossen, während sie zusahen. Doch es würde noch viele Stunden, vielleicht sogar Tage dauern, bevor sie wußten, ob es ein Vaterbaum war, ob Glas noch lebte und sein Bewußtsein sich darin befand. Eine Zeit des Wartens, in der Gras' Baum in völliger Isolation wachsen mußte.
    Wenn ich nur einen Ort finden könnte, dachte Ender, an dem ich mich ebenfalls in völliger Isolation befände, an dem ich ohne Einmischung über die seltsamen Dinge nachdenken könnte, die mir widerfahren sind.
    Doch er war kein Pequenino, und das Unbehagen, an dem er litt, stammte nicht von einem Virus, der getötet oder aus seinem Leben entfernt werden konnte. Seine Krankheit saß an der Wurzel seiner Identität, und er wußte nicht, ob er sie jemals loswerden konnte, ohne sich dabei selbst zu zerstören. Vielleicht, dachte er, repräsentieren Peter und Val die Gesamtheit dessen, was ich bin; wenn sie nicht mehr wären, wäre vielleicht nichts mehr übrig. Welcher Teil meines Seele, welche Tat meines Lebens kann nicht so erklärt werden, daß der eine oder die andere von ihnen seinen oder ihren Willen durch mich ausgeführt haben?
    Bin ich die Summe meiner Nachkommen? Oder der Unterschied zwischen ihnen? Worin besteht die besondere Arithmetik meiner Seele?
     
    Valentine versuchte, nicht ständig über dieses junge Mädchen nachzudenken, das Ender aus dem Außen mitgebracht hatte. Natürlich wußte sie, daß es ihr jüngeres Selbst war, wie er sich daran erinnerte, und sie fand es sogar ziemlich nett von ihm, in seinem Herzen eine so starke Erinnerung von ihr in diesem

Weitere Kostenlose Bücher