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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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unbeeinflußbar und gelassen. Warum hatte sich Valentine eingebildet, sie könne die junge Val glücklicher oder unglücklicher, zufriedener oder unzufriedener machen? Ich bin für das Leben dieses Mädchens unwichtig. Aber sie ist nicht für mein Leben unwichtig. Sie ist gleichzeitig eine Bestätigung und eine Widerlegung der wichtigsten Beziehung meiner Kindheit und eines Großteils meines Lebens als Erwachsene. Ich wünschte, sie wäre im Außen zerfallen, wie Miros alter, verkrüppelter Körper.
    Und sie stand sich selbst gegenüber. Diesen Test hatte Ela augenblicklich durchgeführt. Die junge Val und Valentine waren genetisch identisch.
    »Aber es ergibt keinen Sinn«, protestierte Valentine. »Ender kann sich wohl kaum meinen genetischen Kode eingeprägt und ein Muster dieses Kodes im Sternenschiff gegeben haben.«
    »Soll ich es dir etwa erklären?« fragte Ela.
    Ender hatte eine mögliche Erklärung vorgeschlagen – der genetische Kode der jungen Val könnte fließend gewesen sein, bis sie Valentine begegnet war, und danach hatten die Philoten von Vals Körper sich nach dem Muster ausgebildet, das sie in Valentines Körper gefunden hatten.
    Valentine behielt ihre Meinung dazu für sich, bezweifelte jedoch, daß Enders Vermutung zutraf. Die junge Val hatte vom ersten Augenblick an Valentines Gene gehabt, weil eine Person, die so perfekt Enders Vorstellung von Valentine entsprach, keine anderen Gene haben konnte; das Naturgesetz, das Jane im Sternenschiff aufrecht erhielt, verlangte es. Oder es gab vielleicht eine Kraft, die selbst an solch einem Ort des völligen Chaos den Dingen Form und Gestalt gab. Doch es spielte kaum eine Rolle, bis auf die Tatsache, daß Enders Bild von ihr, ganz gleich, wie ärgerlich perfekt und ihr selbst unähnlich diese neue Pseudo-Val auch sein mochte, so genau gewesen war, daß sie genetisch ein und dieselbe Person waren. Doch so falsch konnte sein Bild von ihr nicht gewesen sein. Vielleicht war ich damals so perfekt und so schön.
    Sie knieten vor dem Bischof nieder. Plikt küßte seinen Ring, obwohl sie kein Teil der Schuld von Lusitania traf.
    Doch als es an der jungen Val war, den Ring zu küssen, zog der Bischof die Hand zurück und wandte sich ab. Ein Priester trat vor und sagte ihnen, sie sollten auf ihre Plätze gehen.
    »Wie kann ich das?« sagte die junge Val. »Ich habe noch keine Abbitte getan.«
    »Dich trifft keine Schuld«, sagte der Priester. »Der Bischof hat es mir erklärt, bevor ihr kamt; du warst nicht hier, als die Sünde begangen wurde, also mußt du auch keine Buße tun.«
    Die junge Val musterte ihn sehr traurig und sagte: »Ich wurde von einem anderen als Gott geschaffen. Deshalb will der Bischof mich nicht empfangen. Solange er lebt, werde ich kein Abendmahl erhalten.«
    Der Priester schaute sehr traurig drein – es war unmöglich, daß einem die junge Val nicht leid tat, denn ihre Einfachheit und Schönheit ließen sie zerbrechlich erscheinen, und die Person, die sie verletzte, mußte sich sehr unbeholfen vorkommen, solch einem zarten Wesen Schaden zugefügt zu haben. »Bis der Papst eine Entscheidung trifft«, sagte er. »Es ist ein sehr schwieriges Problem.«
    »Ich weiß«, flüsterte die junge Val. Dann wandte sie sich ab und nahm zwischen Plikt und Valentine Platz.
    Unsere Ellbogen berühren sich, dachte Valentine. Eine Tochter, die mein völliges Ebenbild ist, als hätte ich sie vor dreizehn Jahren geklont.
    Aber ich will keine weitere Tochter haben und ganz bestimmt kein Duplikat von mir. Sie weiß das. Sie fühlt es. Und so leidet sie unter etwas, worunter ich nie gelitten habe – sie fühlt sich von denen, die ihr am nächsten stehen, ungeliebt und ungewollt.
    Was empfindet Ender für sie? Wünscht er auch, daß sie verschwindet? Oder sehnt er sich danach, ihr Bruder zu sein, wie er vor so vielen Jahren mein Bruder war? Als ich in diesem Alter war, hatte Ender noch keinen Xenozid begangen. Aber damals hatte er auch noch nicht für die Toten gesprochen. Die Schwarmkönigin, der Hegemon, Menschs Leben, das alles lag noch vor ihm. Er war nur ein Kind, verwirrt, verzweifelt, verängstigt. Wie konnte sich Ender nach jener Zeit sehnen?
    Kurz darauf kam Miro herein, kroch zum Altar und küßte den Ring. Obwohl der Bischof ihn von jeder Verantwortung freigesprochen hatte, leistete er wie alle anderen Buße. Valentine bemerkte natürlich, daß viele Leute leise tuschelten. Alle auf Lusitania, die ihn vor seinem Unfall gekannt hatten, wußten, daß

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