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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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sich ein Wunder vollzogen hatte – die völlige Wiederherstellung des Miro, der zuvor so fröhlich unter ihnen gelebt hatte.
    Damals habe ich dich nicht gekannt, Miro, dachte Valentine. Hast du schon immer diese zurückhaltende, nachdenkliche Aura verbreitet? Dein Körper mag zwar geheilt sein, doch du bist noch immer der Mensch, der all diese Zeit unter Schmerzen gelebt hat. Hat dich das kälter oder mitfühlender gemacht?
    Er kam und setzte sich neben sie, auf den Stuhl, auf dem eigentlich Jakt gesessen hätte, wenn er nicht noch im All gewesen wäre. Da die Vernichtung der Descolada kurz bevorstand, mußte jemand die Tausenden von gefrorenen Mikroben und Planzen- und Tierrassen auf die Planetenoberfläche bringen, die nötig waren, um eine selbstregulierende Gaialogie zu etablieren und die planetaren Systeme in Ordnung zu halten. Es war eine Aufgabe, die schon auf vielen anderen Welten bewältigt worden war, doch hier wurde sie durch die Notwendigkeit kompliziert, sich nicht zu intensiv mit den einheimischen Spezies zu befassen, von denen die Pequeninos abhängig waren. Jakt war dort oben und arbeitete für sie alle; er war aus einem guten Grund fort, doch Valentine vermißte ihn trotzdem – brauchte ihn sogar dringend, weil Enders neue Schöpfungen solch einen Gefühlsaufruhr in ihr verursacht hatten. Miro war kein Ersatz für ihren Gatten, besonders nicht, da sein neuer Körper sie stets daran erinnerte, was im Außen geschehen war.
    Was hätte ich erschaffen, wäre ich dorthin gegangen? Ich bezweifle, daß ich einen Menschen zurückgebracht hätte, denn ich befürchte, daß an der Wurzel meiner Psyche keine Seele wohnt. Nicht einmal meine eigene, befürchte ich. Was sonst ist mein leidenschaftliches Studium der Geschichte gewesen, wenn nicht eine Suche nach Menschlichkeit? Andere finden Menschlichkeit, indem sie in ihre eigenen Herzen schauen. Nur verlorene Seelen müssen sie außerhalb von sich selbst suchen.
    »Es sind fast alle durch«, flüsterte Miro.
    Der Gottesdienst würde bald beginnen.
    »Bist du bereit, dich von deinen Sünden läutern zu lassen?« flüsterte Valentine.
    »Wie der Bischof mir erklärt hat, wird er mich nur von den Sünden dieses neuen Körpers freisprechen. Ich muß noch immer beichten und Buße für die Sünden tun, die von dem alten Körper übriggeblieben sind. Es waren mir natürlich nicht viele Sünden des Fleisches möglich, aber da ist noch immer jede Menge Neid, Boshaftigkeit, Gehässigkeit und Selbstmitleid. Ich überlege gerade, ob ich auch einen Selbstmord beichten muß. Als sich mein alter Körper auflöste, war es, als habe sich ein Herzenswunsch erfüllt.«
    »Du hättest deine Stimme besser nicht zurückbekommen«, sagte Valentine. »Du plapperst jetzt einfach vor dich hin, um dich so schön reden hören zu können.«
    Er lächelte und tätschelte ihren Arm.
    Der Bischof begann den Gottesdienst mit einem Gebet, mit dem er Gott für alles dankte, was in den letzten Monaten erreicht worden war. Die Schöpfung der beiden neuesten Mitbürger Lusitanias ließ er verdächtigerweise aus, obwohl Miros Heilung eindeutig auf Gottes Schwelle gelegt wurde. Er rief Miro zu sich, taufte ihn fast umgehend und wandte sich dann, weil dies keine Messe war, sofort seiner Predigt zu.
    »Gottes Gnade ist unendlich«, sagte er. »Wir können nur hoffen, daß er weiter ausgreifen wird, als wir es verdienen, daß er uns unsere schrecklichen Sünden als Einzelmenschen und als Volk vergibt. Wir können nur hoffen, daß wir wie Niniveh, das durch Bußfertigkeit der Zerstörung entging, unseren Herrn überzeugen können, uns vor der Flotte zu verschonen, die er zu uns geschickt hat, um uns zu bestrafen.«
    »Hat er die Flotte nicht geschickt«, flüsterte Miro so leise, daß nur sie es hören konnte, »bevor der Wald niedergebrannt wurde?«
    »Vielleicht ist für Gott nur die Ankunfts- und nicht die Abflugzeit wichtig«, gab Valentine zurück. Doch sie bedauerte ihre schnippische Antwort sofort. Sie hatten sich aus einem ernsten Anlaß hier zusammengefunden; und obwohl sie nicht an die katholische Lehre glaubte, beeindruckte es sie, daß die Gemeinde die Verantwortung für das Böse auf sich nahm, das sie begangen hatte, und wahre Buße leistete.
    Der Bischof sprach von denen, die in Heiligkeit gestorben waren – Os Venerados, die die Menschheit als erste vor der Descolada-Plage gerettet hatten; Vater Estevão, dessen Leichnam unter dem Boden der Kapelle begraben lag und der ein Märtyrer

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